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Der Willy ist weg

Der Willy ist weg

Titel: Der Willy ist weg Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Jörg Juretzka
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Methoden? Darüber, dass er mit hoher Wahrscheinlichkeit aus einem Handwerksberuf kommt?«
    Ragobert nickte und folgte mit urplötzlich erwachtem Misstrauen meinem Blick über die graugesichtig einhertaumelnde Schar der Monteure.
    »Diese Leute müssen doch tägliche Arbeitsberichte abliefern, oder?«
    Er nickte, und ich sah seine Augen mit wachsendem Begreifen an Umfang zunehmen.
    »Mit Ankunft- und Feierabendzeiten?«
    Er nickte, dass seine Wangen wobbelten. »Primzahltage!«, stieß er hervor, und ich musste ihm hastig bedeuten, die Lautstärke zu drosseln. »Immer zwischen acht und neun Uhr morgens! Und achtzehn und neunzehn Uhr abends!«
    Zwei Minuten später waren wir im Bürocontainer und fraßen uns in rasendem Tempo durch ganze Stapel von Stundenzetteln.
    Na, es wäre wahrscheinlich zu schön gewesen.
    Gleich drei der anwesenden Monteure hätten, zeitlich gesehen, Gelegenheit gehabt, entweder die Leuchtsäule abzufackeln oder aber das Ballonseil zu kappen, doch keiner davon beides, und ein Komplott war mehr als unwahrscheinlich, kamen alle drei doch von verschiedenen Firmen und aus gänzlich unterschiedlichen Ecken der Republik. Mehr als die Hälfte der Anwesenden hatte vorgestern im Laufe des Tages irgendwann mal die Baustelle verlassen und wäre somit theoretisch in der Lage gewesen, die Gasflasche an der Clownsfigur auszutauschen, doch, wie es der Teufel wollte, ausgerechnet die drei Verdächtigen waren diesmal nicht dabei, und somit brach die ganze schöne Idee stückweise in sich zusammen.
    »Wieder nichts«, stellte Edwin Knauff fest, und er sagte es so, als ob er es im Grunde auch gar nicht anders erwartet hätte. Das tat weh, und noch weher tat es, meine Zukunft wieder ein Stück in die Ferne rücken zu sehen, in all ihrer erhofften Rosigkeit. Doch das Schmerzhafteste überhaupt war die Tatsache, erneut zum Abwarten verdammt zu sein.
    Kapitel 8
    Gegen Mitternacht kam der Coole Eric, direkt aus Bonn, und brachte mit einem vom Bundesgrenzschutz ausgeliehenen Spaniel ein bisschen Leben in die Bude.
    »Sprengstoffspürhund«, erklärte ich Herrn Knauff, der mir mit einem gewichtigen Nicken zu verstehen gab, dass ich damit wieder ein bisschen an Boden gutgemacht hatte, bei ihm.
    Wir jagten den stummelschwanzwedelnden, schlappohrigen kleinen Schnüffler einmal um die Außenmauern und dann drinnen durch sämtliche Ecken sämtlicher Räume, wir ließen ihn japsend alle Schränke, alle Pappkartons, ja selbst alle Werkzeugkoffer und Materialkästen sämtlicher Anwesenden inspizieren.
    Der Hund fand nichts.
    Gegen eins packte ihn der Coole wieder ein und schob ab, zurück nach Bonn, zurück zu seinem Job als Beschützer der Leute, die mit besessenem Eifer dabei waren, das nukleare >Schlachtfeld Europa< vorzubereiten.
    Gegen zwei hatten sie mich soweit, dass ich den Beutel hervorholte, den Scuzzi mir mitgegeben hatte, und die erste Runde >Rote< verteilte. Ihnen sei langweilig, sagten sie.
    Gegen drei zuckte ich wie unter einem Stromschlag, als wieder mal das Schnurlose in meiner Rechten das Fiepen überkam.
    »Habt ihr die Kohle?« Heiser, flüsternd, verstellt. Die gleiche Stimme wie bei den anderen Anrufen.
    »Moment«, sagte ich und ging die paar Schritte, bis ich draußen stand und die Eingangstüre hinter mir zu drücken konnte. Mein Herz puckerte wie ein Enfield-Diesel. Wenn sie jetzt gleich, von mir aus sofort, die Übergabe durchführen wollten, könnte ich die Jungs problemlos mitnehmen, da hier noch mindestens eine Stunde Leerlauf anstand, bis die Küche fertig montiert wäre und die nächste Ausbaustufe der Stormfucker'schen Berufsfortbildung anstünde. Was immer die verstellte Stimme als nächstes vorschlagen sollte, ich würde mich einverstanden erklären. Und dann weitersehen.
    »Ja«, antwortete ich knapp, bemüht, keinen Eifer an den Tag zu legen.
    »Eine Million Mark?« Schon begann sich wieder eine Art von erregtem Japsen über das heisere Gegrummel zu schieben.
    »Nein«, sagte ich, und am anderen Ende schnappte jemand nach Luft. Enttäuschung, vermutlich.
    »Wir haben fünfhunderttausend Dollar«, fuhr ich rasch fort um mir die zwangsläufig anstehende Tirade von Drohungen zu ersparen.
    »Dollar? Dollar? Wieso Dollar?« Japs, japs, japs. Wie der Cockerspaniel vorhin. Nicht in der Lage, die kleinsten Änderungen des Plans zu managen. Wie wir mit diesen Amateuren einen reibungslosen Austausch von Geld und Geisel durchziehen sollten, war mir schleierhaft. Mir graute davor, um ehrlich zu sein.

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