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Der Willy ist weg

Der Willy ist weg

Titel: Der Willy ist weg Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Jörg Juretzka
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allgemeine Schlafbedürfnis war mit Händen zu greifen, und man konnte praktisch mit den Ohren spüren, wie ein Taucher beim Absinken in Kälte und Dunkelheit, wie viel Druck hinter der kleinen, lapidaren Floskel steckt, die da heißt: >Vertrag ist Vertrag<.
    Welch ein Kontrast dagegen meine Jungs! Ich wandte mich ihnen zu und kann, glaube ich, mit Recht behaupten, Energie strahlte von ihnen ab wie Hitze von einem Hochofen, kurz vor dem Abstich. (Bisschen unglückliche Wortwahl hier, >Abstich<. Jeder einzelne von ihnen starrte mich an, als hätte er eben das in allernächster Zukunft mit mir vor; mich abzustechen, meine ich.)
    »Hey, Jungs«, strahlte ich zurück, »schön, euch zu sehen. Fesch seht ihr aus!«
    Charly gab dieses fast unhörbare Pfeifen von sich, das ich bei ihm erst zwei- oder dreimal gehört hatte, und das jedes Mal dem Nächsten vorangegangen war, dem man >Totschlag< kommen kann, ohne wirklich jemanden dabei umzubringen, und Poppel begutachtete das Plastiktablett in seinen Händen, als wäre er sich dessen mangelnder Eignung zum Enthaupten eines Menschen vollkommen bewusst, wolle es aber trotzdem probieren.
    »Wieso«, fragte Schisser, und man konnte spüren, wie schwer es ihm fiel, die Worte zwischen den Zähnen hindurchzuzwingen, »wieso«, wiederholte er, während ein sichtbarer Tremor durch seinen sehnigen Torso fuhr, »wieso trägst du keine Uniform?« Und ein Grollen ging von ihnen aus, das man in den Därmen spüren konnte.
    »Tu ich doch«, behauptete ich und hätte sie um ein Haar an der Gurgel gehabt, alle Mann hoch. »Und glaubt mir«, beschwichtigte ich hastig, bevor sie über mich herfallen konnten, »es war nicht meine Idee.«
    Die Wahrheit, und nichts als sie. Edwin Knauff war es, der durchgesetzt hatte, dass meine Stormfucker-Brüder für die ersten beiden Tage das normale McDagobert's-Personal ersetzen sollten, während ich, in einer Aufmachung, wie ich sie vom Coolen Eric kopiert hatte (dunkelblaue Jeans, feste Schuhe, dunkelblaues Sportsakko und, Krönung des Ganzen, ein schnurloses Telefon in ansonsten untätigen Händen) die >offizielle< Security mimte. (Es sollte abschrecken und anziehen zugleich. So sehr Ragobert um die Sicherheit der Anlage besorgt war, so wild war er andererseits darauf, den Attentäter zu fassen zu kriegen und auf Millionen an Schadenersatz zu verklagen.) Und um das normale Personal ersetzen zu können, mussten die Jungs natürlich das normale Trainingsprogramm durchlaufen. Damit waren sie gerade beschäftigt, unter Anleitung des zukünftigen Geschäftsführers. Und auch - selbstredend -die normale Berufskleidung anlegen, etwas, das sie schon hinter sich gebracht hatten.
    Und das Ergebnis konnte sich sehen lassen. Schade nur, dass kein Fotoapparat zur Hand war. Eine Rockergang mit gestärkten und gestreiften, wie Kittel getragenen und wie Reifröcke abstehenden Hemden mit scharf gebügelten, kurzen Ärmeln und, auf den zusätzlich noch mit Haarnetzen gezähmten Frisuren, diese Pappschiffchen, aus denen oben so was wie Vlieswölkchen herauswuchsen -so was kriegt man nicht jeden Tag vor die Linse. Hinzu kamen, für mich persönlich, die Namensschilder. Klar kannte ich die Vornamen von allen, auch wenn ich bei manchen einen Moment grübeln müsste, bei Schisser etwa, dessen Naturell ums Verrecken nicht mit seinem Klarnamen >Herbert< in Einklang zu bringen war, doch benutzte ich sie nie. Wirklich, nie. Hoho jetzt mit >Ernst-Dieter< auf der Brust zu sehen, Pit Bull mit seinem braven >Peter< und D.O. mit >Jürgen< tat mir etwas an.
    Am härtesten traf es allerdings und erfahrungsgemäß einen.
    »Nein, Detlef«, müsste Poppel sich gerade das x-te Mal vom zukünftigen Geschäftsführer korrigieren lassen, »es heißt nicht McChickenBurger, sondern ChickenMacBurger, und Herbert soll die Namen unserer Produkte bei Bestellung nicht nur wiederholen, sondern wenn nötig korrigiert wiederholen, damit unsere Kunden sie sich richtig einprägen und wir Missverständnisse vermeiden. Also bitte, Detlev, noch mal.«
    Es war ergreifend, auf eine Art, mit anzusehen, mit wie viel Anstrengung Poppel bei jeder Erwähnung seines Namens gegen einen intensiven Tötungsinstinkt ankämpfte. Er spielte im Augenblick einen Kunden, und Schisser mimte den, der ihn bediente, in sicherem Abstand beobachtet vom Rest der Gang und dem Geschäftsführer, einem Blick auf sein Namensschild nach ein Herr Klusenhoff, woraus ein Blick auf seine fusselige Haartracht aber beinahe zwangsläufig

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