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Der Willy ist weg

Der Willy ist weg

Titel: Der Willy ist weg Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Jörg Juretzka
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abräumen und größere Bestellungen austragen.
    Alle starrten mit blutunterlaufenen Augen dem Moment entgegen, in dem irgendein armer, fehlgeleiteter Aktionist auch nur den Versuch wagen sollte, den Tagesablauf bei McDagobert's durch irgendeine Form von armer, fehlgeleiteter Aktion auch nur zu trüben. Unter die Hufe einer Stampede zu geraten wäre wahrscheinlich ein gnädigeres Schicksal für ihn gewesen.
    Einen besseren Schutz für die Filiale hätte man sich demnach kaum wünschen können, und trotzdem war ich nervös und von Vorahnungen geplagt. Nervös pflückte ich mir alle halbe Stunde ein frisches Schnurloses von der Ladestation, nervös griff ich mir noch eine Rote, nervös nahm ich den letzten Schluck aus der Wodkapulle.
    Eröffnung und Generalprobe in einem. Nach hastiger, auch noch um vierundzwanzig Stunden vorgezogener Fertigstellung. Mit ebenso übernächtigtem wie unterqualifiziertem Personal. Und der nächste Satz wird, tja, vorhersehbar: Nichts funktionierte.
    Am allerwenigsten die Technik.
    Was warm werden sollte, blieb kalt. Was kalt sein sollte, blieb lau. Was nicht gerade überkochte oder Rauchschwaden absonderte oder auf durchdacht richtigen Knopfdruck blödsinnig falsche Resultate lieferte, erhöhte das Moment an Spannung und Dramatik durch lautes, anhaltendes, rhythmisches, auch mit Faustschlägen und Fußtritten nicht abzustellendes, elektronisches Quäken.
    Die Techniker taten, was sie immer tun: Sie fummelten viel und verbesserten wenig. Zwischen Theken- und Küchenpersonal klaffte der Riss auf, der von der Natur der Dinge zwischen diese beiden Fraktionen gedacht ist, und die ersten Schuldzuweisungen und Bezichtigungen der Lahmheit, Faulheit, Blindheit, Blödheit und Unfähigkeit begannen, die Seiten zu wechseln. Ein Vorgeschmack von Katastrophe lag in der Luft, und der intensive Wunsch, irgendwo anders zu sein, ergriff mit Macht von mir Besitz. Und das, noch bevor auch nur ein Kunde die Schwelle gekreuzt hatte.
    Gegen zehn bekam tatsächlich der erste Gast das, was er auch bestellt hatte, nach kaum fünfzehn Minuten Wartezeit und in nahezu beanstandungsfreier Qualität. Ein Gefühl von Triumph machte die Runde, wie in einem Formel-1-Team, nach einem Doppelsieg etwa.
    Gegen halb elf begann sich der Laden zu füllen.
    Gegen viertel vor elf kam der zwölfköpfige Kindergeburtstag mit der Tischreservierung.
    Die jemand vergessen hatte, vorzunehmen. Nun, Hoho reservierte nachträglich. Irgendein Querulant wollte deswegen mit dem Geschäftsführer sprechen, richtete den Wunsch an D.O. und vergaß ihn im selben Augenblick wieder.
    Gegen elf, acht gottverdammte Stunden nach dem letzten Anruf der Entführer, wurde es, alles in allem, etwas hektisch in unserer kleinen Filiale.
    Das Geburtstagskind, ein übergewichtiger Rothaariger mit einem Grinsen wie ein hospitalismusgeschädigter Makaken-Lemur, fand es eine tolle Idee, die Bälle aus dem Kinderkäfig von der Balustrade der ersten Etage herunterzuwerfen ins Erdgeschoss, wo sie aufs Drolligste von den Köpfen und Tischen der anderen Gäste abprallten und Speisen und Getränke quer durch den Raum verteilten.
    Da die Mutter - Typ >Spät-Erstgebärende mit abgeschlossenem Psychologiestudium, völlig durch den Wind< - mit ihren flehend vorgetragenen Zurufen bei ihrem Sprössling ungefähr so viel Gehör fand wie bei einem Vierzig-Kilo-Klumpen Huftierdung, musste ich nach oben und dem reizenden Kleinen mit verständnisvollem Lächeln ins Ohr flüstern, was ich mit ihm anzustellen gedachte, wenn er den Blödsinn nicht augenblicklich drangab.
    Und es wirkte. Kinder haben ja so eine lebhafte Phantasie. Auf alle Fälle wischte es ihm das Grinsen aus dem Gesicht, jagte ihn zurück auf seinen Platz am Tisch mit den anderen Gören, und ich sah und hörte nichts mehr von ihm.
    Dafür - es gibt keine Gerechtigkeit - natürlich umso mehr von seiner Mutter.
    »Aber es sind Kinder«, schluchzte sie, gerade als ich die Treppe wieder herunterkam, und sie betonte es, als ob sie von Sterbenden spräche, »Kinder! Wollen Sie gleich nach oben gehen und einem dieser armen Würmchen erklären, warum alle anderen einen ChocoMacSlurpy-Shakie bekommen, nur es nicht?« Sterbende, denen jemand den letzten Wunsch verweigern wollte; das dringend benötigte Morphin etwa. Der Jemand in diesem Falle ein halb betroffen, halb entnervt dreinblickender Hoho.
    »Ich könnt ihm ja 'nen Vanille-Shake machen«, erbot er sich.
    »VanilleMacSlurpy-Shakie«, verbesserte ihn der mit

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