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Der Wind bringt den Tod

Der Wind bringt den Tod

Titel: Der Wind bringt den Tod Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Ole Kristiansen
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ein Staubkorn im Rohr eines Staubsaugers«, beschrieb Jochen diesen Effekt für gewöhnlich. Manche Leute erfasste bei diesem Anblick ein heftiger Schwindel, weil sie bizarrerweise befürchteten, entgegen aller Gesetze der Schwerkraft emporgerissen zu werden und hilflos nach oben zu fallen.
    Während Klaus einige Daten herunterrasselte – Höhe, Gewicht, Baukosten der Anlage –, machte sich Jule mit der Steuerung des Aufzugs vertraut. Es gab keine Kabine im eigentlichen Sinn, sondern eher eine Art Gitterkäfig, in den man sich einschloss.
    Jule und Klaus hielten sich strikt an die Sicherheitsanweisungen, die für solche Besuche galten: Er fuhr mit Mangels hinauf und schickte den Fahrstuhl leer wieder zu ihr und den restlichen Odisworthern hinunter. Danach bat Jule Anke Küver zu sich in den Aufzug und beförderte sie nach oben zur Plattform unterhalb des Drehkranzes. Dort übergab sie Anke in Klaus’ treusorgende Hände. Klaus erklärte nach und nach jedem einzelnen Besucher, worauf man beim Aufstieg in die Gondel und beim Aufenthalt in unmittelbarer Nähe zur Turbine zu achten hatte.
    Jule störte es nicht, die Strecke vom Fuß des Turms bis zur oberen Plattform mehrfach hinter sich zu bringen. Der Käfig schwankte zwar leicht, wenn man sich darin bewegte, aber Jule vertraute auf die Technik, für die sie stellvertretend für Zephiron mit ihrem Namen einstand. Es störte sie auch nicht, dass der Boden des Käfigs ebenfalls nur aus einem – wenn auch engmaschigeren – Gitter bestand. Höhenangst war schließlich nicht ihr Problem.
    Jule sparte sich die Passagierin, auf die sie am ehesten hätte verzichten können, für den Schluss auf. Ute Jannsen hatte ihre große Sonnenbrille selbst im Turminneren nicht abgesetzt. Die ersten Meter der Fahrt stand sie einfach nur da, den Kopf gesenkt, die Finger um die Gitterstäbe vor sich geschlungen. Auf halber Strecke riss sie dann plötzlich die Arme zurück und schlug beide Hände einmal flach gegen das Gitter. Das Klirren des Metalls hallte durch den Turm, die Liftkabine ruckte vor und zurück.
    »Hey!«, rief Jule. »Lassen Sie das!«
    Ute schlug noch einmal zu.
    Jule stieß sich die Hüfte an der Kante der Bedienkonsole. »Hören Sie auf! Was soll das?«
    Ute ließ die Arme sinken und drehte sich zu ihr um. »Sie waren letzte Woche bei Erich Fehrs.«
    »Stimmt«, sagte Jule vorsichtig. »Ich war letzte Woche bei vielen Leuten.«
    »Ich wollte Ihnen nur zeigen, wie sich eine plötzliche Erschütterung anfühlt. Damit Sie verstehen, wie es Erich geht. Er hat sich sehr über Sie aufgeregt.«
    »So?« Jule konzentrierte sich auf das feine Surren der Stahltrossen. Sie hatte nicht vor, sich provozieren zu lassen. Nicht, solange sie auf engstem Raum mit dieser unangenehmen Person eingesperrt war. »Ja, hat er.« Utes Worte waren voller Verachtung. »Sie haben ihn mit Fragen über seine Frau gelöchert. Er war beinahe wieder über den Berg, und dann kommen Sie und reißen alte Wunden auf.«
    »Das stand wirklich nicht in meiner Absicht.« Jule warf einen Blick nach oben und wünschte sich, der Aufzug würde schneller fahren.
    »Lassen Sie ihn endlich in Ruhe!«, zischte die Pastorin.
    Jule wollte reflexartig einen Schritt zurückweichen und spürte das harte Gitter in ihrem Rücken. »Ich weiß nicht, was Sie von mir wollen. Es tut mir leid, wenn ich Herrn Fehrs aufgeregt haben sollte. Ich versuche hier nur, meine Arbeit zu machen.«
    »Erich hat Ihnen doch schon selbst gesagt, dass Sie sein Land nur über seine Leiche kriegen. Und Sie können mir glauben, wenn ich Ihnen sage, dass es eine ganze Reihe von uns gibt, die alles dafür tun werden, dass Sie seinen Wunsch respektieren. Wissen Sie, was Sie sind? Ein Kind, das mit einer Schachtel Streichhölzer in einer Scheune voller Stroh spielt. Also wundern Sie sich nicht, wenn Sie sich verbrennen. Habe ich mich jetzt deutlich genug ausgedrückt, Frau Schwarz?«

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    »Wie geht es deinem Auge?«, fragte Hans-Herrmann Mangels seine Beifahrerin. »Tolle Brille. Wie Jackie Onassis früher.«
    Ute Jannsen schwieg und wandte sich von ihm ab, um aus dem Fenster zu schauen.
    Mangels seufzte. Er war nicht stolz darauf, ihr eine verpasst zu haben. Aber was hätte er denn sonst tun sollen, um sie wieder zur Räson zu rufen?
    Ihr nächster, sehr leise gesprochener Satz ließ ihn daran zweifeln, ob sein Schlag überhaupt Wirkung gezeigt hatte. »Ich habe dieser Schwarz ein für alle Mal klargemacht, dass sie Erich in Ruhe lassen

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