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Der Wind bringt den Tod

Der Wind bringt den Tod

Titel: Der Wind bringt den Tod Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Ole Kristiansen
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Idiot«, sagte der Pole und zog an seiner Zigarette.
    »Stimmt«, sagte Hoogens. Da sie die Jungs von der Spurensicherung nicht bei der Arbeit stören wollten, standen sie beide bei den Fahrradständern vor dem Mietsblock, in dem Smolskis Informantin den Toten gefunden hatte. Hoogens hoffte inständig, dass dieser Andreas Bertram auch der Mann war, nach dem er und sein Partner so fieberhaft suchten. Es sprach einiges dafür: Ein Blick in seine Wohnung reichte, um zu erkennen, dass Bertram psychisch alles andere als gesund war. Er war mit einem Sexualdelikt auffällig geworden, und noch dazu kam er ursprünglich aus Odisworth. Smolski und er konnten außerdem von Glück reden, dass die Hamburger Kollegen sie auf die Bitte von Jule Schwarz hin umgehend informiert und zu den Ermittlungen hinzugezogen hatten. »Und was ist an deiner Selbsterkenntnis neu?«
    »Ich habe mich die ganze Zeit über von der irren Idee ablenken lassen, unser Mann könnte auch Rita auf dem Gewissen haben.« Er schüttelte den Kopf. »Dabei war das vollkommener Wahnsinn.«
    Hoogens wusste, was der Pole meinte. Auf Fehrs’ Grundstück hatten die Hunde aus Eutin nur zwei Leichen aufgespürt: Die eine war Margarete Fehrs, die andere laut Ulf Grüner zu jung, um Rita Smolski zu sein, und wenn Grüner als erfahrener Gerichtsmediziner so etwas sagte, konnte man sich darauf verlassen. Da blieb kein Raum für absurde Spekulationen mehr. »Das hätte jedem in deiner Situation passieren können.«
    »Dabei ist die Wahrheit so einfach.« Smolski versetzte dem nächsten Fahrradständer eine Reihe leichter Tritte, als müsste er sich selbst den Takt für seine schmerzlichen Einsichten vorgeben. »Sie wollte mich schon lange verlassen, und ich habe nichts davon gemerkt. Du kennst sie. Sie hat nie viel geredet. Hat einfach alle schwierigen Entscheidungen mit sich selbst ausgemacht. Und als sie entschieden hatte, den Rest ihres Lebens nicht mit mir zu verbringen, hat sie es auch durchgezogen. Wie immer.«
    »Weil sie genau gewusst hat, dass du versucht hättest, es ihr auszureden«, sagte Hoogens. »Du warst völlig vernarrt in sie. Du hättest sie nicht gehen lassen. Nicht ohne daraus einen Kampf zu machen, den sie nicht mit dir kämpfen wollte.«
    »Was glaubst du, wo sie jetzt ist?«, fragte Smolski.
    »Rita?« Hoogens grinste. »Irgendwo, wo es warm ist.« Er fand, dass es Zeit für einen Themenwechsel war. »Rat mal, mit wem ich vorhin telefoniert habe.«
    »Mit wem?«
    »Mit unserer lieben Frau Pastorin aus Odisworth.«
    Smolski lachte auf. »Ach nee?«
    »Sie wollte sich bei mir entschuldigen, dass sie mich mit dem Brand auf die falsche Fährte gelockt hat.« Hoogens sog Luft durch die Zähne. »Was für eine abgebrühte Schabracke.«
    »Und hast du ihre Entschuldigung angenommen?«
    »Klar.« Hoogens nickte. »Ich bin doch kein Unmensch. Aber ich konnte ihr echt weismachen, dass sie für die Nummer vielleicht in den Bau muss.«
    »Stimmt, du bist kein Unmensch«, pflichtete ihm Smolski lachend bei. »Aber manchmal schon ein Arschloch, oder?«

132
     
    »Sie halten sich wacker«, war Smolskis Begrüßung, als er mit zwei Kaffeebechern, auf denen das Logo der Hamburger Polizei prangte, im Vernehmungszimmer auftauchte. »Sie sehen sehr gefasst aus. Wenn man bedenkt, dass Sie gerade eine Leiche gefunden haben.«
    »Danke«, sagte Jule. Sie beobachtete ihn dabei, wie er die Becher abstellte und sich ihr gegenüber an den wackligen Tisch setzte. Den Kaffee rührte sie nicht an. Es war eine nette, fürsorgliche Geste, aber es wäre ihr fünfter Becher in ebenso vielen Stunden gewesen. So lange saß sie hier nun schon auf der Bergedorfer Wache in diesem viel zu kleinen Raum mit dem viel zu kleinen Fenster und gab wieder und wieder dieselben Aussagen zu Protokoll, nur unterbrochen von kurzen Toilettengängen. Sie fühlte sich leer und abgenutzt, wie eine alte Videokassette, die man einmal zu oft abgespielt hatte.
    »Sie brauchen mir nicht zu danken«, meinte Smolski. »Es ist umgekehrt: Ich habe Ihnen zu danken.« Smolskis Lächeln war ehrlich. Sie konnte nachvollziehen, warum er wesentlich besserer Laune war als sie. »Wenn Sie meinen Namen nicht gleich erwähnt hätten, hätten die Kollegen mich erst viel später kontaktiert.«
    Er schwieg einen Moment, als wartete er auf eine Erwiderung. Da sie nicht kam, fuhr er in einem sanften Ton fort, den er allerdings wahrscheinlich auch für jede andere Frau in ihrer Lage gewählt hätte. »Ihr Kollege ist ungefähr

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