Bücher online kostenlos Kostenlos Online Lesen
Der Wind bringt den Tod

Der Wind bringt den Tod

Titel: Der Wind bringt den Tod Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Ole Kristiansen
Vom Netzwerk:
Sie unterbrechen muss«, sagte er zu Jule, als er neben ihr stand. Er fixierte sie einen Moment, als zerbreche er sich den Kopf darüber, wo sie sich schon einmal begegnet waren. Dann drehte er sich um und zückte einen Ausweis. »Guten Abend. Gabriel Smolski, Morddezernat Husum.«

16
     
    Jule blieb wie angewurzelt stehen, während Smolski abwartete, bis das einsetzende Raunen im Publikum wieder abgeklungen war. »Ich muss Sie leider darüber informieren, dass heute am frühen Abend auf Odisworther Gemarkung ein Leichenfund gemacht wurde. Nach dem derzeitigen, sehr frühen Stand der Ermittlungen gehen wir von einem Gewaltverbrechen aus.«
    Jule fiel die Straßensperre ein, und bei dem Gedanken, dass sie vielleicht nur wenige Hundert Meter vom Schauplatz eines Mordes entfernt durch das Wäldchen gefahren war, wurde ihr flau im Magen.
    »Ich erhoffe mir von Ihnen einige sachdienliche Hinweise«, fuhr Smolski fort. »Bei der Toten, deren Identität wir bislang noch nicht zweifelsfrei feststellen konnten, handelt es sich um eine Frau Ende zwanzig. Sie ist auffallend groß – circa 1,80 – und hat langes blondes Haar. Wer von Ihnen eine Frau, zu der diese Angaben passen, hier in der Nähe gesehen hat oder eine solche Person aus seinem Bekanntenkreis vermisst, möge sich bitte bei mir melden.«
    Hundert Augenpaare richteten sich langsam auf Jule, und als ihr der Grund dafür dämmerte, wurden ihre Knie so weich, dass sie sich setzen musste. Smolski hatte gerade sie beschrieben.

17
     
    »Das ist eine Riesensauerei«, sagte Ulf Grüner.
    Hauptkommissar Stefan Hoogens nickte, obwohl er das noch für eine echte Untertreibung hielt. Aber Grüner war nun einmal seit Jahren bei der Gerichtsmedizin, und wer wusste, was bei ihm schon alles auf dem Tisch gelandet war.
    Es war beileibe nicht die erste Leiche, die Hoogens zu Gesicht bekam, aber an einen vergleichbar grotesken Anblick konnte er sich nicht erinnern. Das skrupellose Licht der gleißenden Scheinwerfer hob noch das kleinste Detail hervor: die Aberdutzenden Würmer und Käfer, die über den Rand der ausgehobenen Grube krochen oder sich tiefer ins Erdreich wühlten, als fühlten sie sich bei ihrem grausigen Schmaus von den Menschen ertappt; der lose Dreck zwischen den blonden Haarsträhnen auf einem Schädel, dessen Haut die Konsistenz und die Farbe einer verfaulten Pflaume hatte; die leeren Augenhöhlen, an deren Grund hier und da das Gelbbraun von Knochen durchschimmerte; die auf der eingefallenen Brust gefalteten und wie zu Klauen gekrümmten Hände der Toten; die Stellen, an der Hüfte und den Knien, an denen das Brautkleid auffällige Falten warf, als versuchten die Gelenke darunter, sich durch den weißen Stoff zu bohren …
    Hoogens konnte die Schlagzeilen schon deutlich vor sich sehen, sobald die Presse die Einzelheiten erfuhr: Der Hochzeitsmörder. Die Totenbraut von Odisworth. Mord in Weiß. Er hatte seine guten Gründe, weshalb er die Journaille hasste.
    »Ist Smolski schon weg?«, fragte Grüner.
    »Seit einer halben Stunde«, antwortete Hoogens. Er zeigte zu einem der anderen Faltpavillons, den die Leute von der Spurensicherung aufgestellt hatten, um den Fundort vor etwaigem Regen zu schützen. Zwei Männer von der Schutzpolizei – der eine ein Strich in der Landschaft, der andere mit einem halben Zentner Übergewicht – standen hilflos darunter und beobachteten ihre Kollegen von der Kripo mit blassen Gesichtern und aufgerissenen Augen. »Assmuth da drüben kommt aus Odisworth. Er hat dem Polen erzählt, dass heute irgendeine Großveranstaltung in der Grundschule ist, für die das ganze Dorf zusammenkommt. Da hat sich der Pole natürlich nicht zweimal bitten lassen.«
    »Verstehe«, sagte Grüner. Er saß in der Hocke am Rand der Grube, etwa in Höhe der Brust der Leiche. »Siehst du das da?«
    »Was?« Hoogens beugte sich nach vorn, um besser zu erkennen, worauf Grüner deutete. Er meinte offenbar irgendetwas an den Händen der Leiche.
    »Das. Das ist ein Hering«, sagte Grüner ungeduldig.
    »Was? Willst du mich verarschen?«
    »Kein Stück. Warst du nie zelten? Der Täter hat ihr die Hände so fixiert, indem er ihr einen Hering durch beide Handflächen in den Brustkorb geschlagen hat.«
    Hoogens rieb sich das Kinn. »Post mortem?«
    »Das wissen wir noch nicht. Um das herauszufinden, müssen wir sie aufmachen«, sagte Grüner. »Allerdings glaube ich nicht, dass sie die Hände stillgehalten hätte, wenn sie noch bei Bewusstsein gewesen wäre. Es

Weitere Kostenlose Bücher