Bücher online kostenlos Kostenlos Online Lesen
Der Wind bringt den Tod

Der Wind bringt den Tod

Titel: Der Wind bringt den Tod Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Ole Kristiansen
Vom Netzwerk:
völligen Finsternis. »Jule.«
    Sie zog die Hand zurück und drehte sich um. Der magische Moment war verflogen, das Flackern der Neonröhren hörte auf. Vor ihr stand Rolf, eine kleine Flasche Wasser in der einen Hand, eine kleine Flasche Cola in der anderen.
    »Hier, das Wasser.« Er reichte ihr die Flasche, die sich in Jules Hand kalt wie Eis anfühlte. Er hatte sie bereits geöffnet, und die aufsteigende Kohlensäure knisterte leise. »Nicht, dass du es nötig hättest, nur Wasser zu trinken.«
    Anstatt auf sein Kompliment einzugehen, nippte sie rasch an ihrer Flasche. Dann zeigte sie auf den Laptop. »Was macht dieses Programm da?«
    Er hielt sich seine Flasche Cola an seine Wange, als herrschten draußen bereits echte Sommertemperaturen. »Es ruft die gespeicherten Informationen aus dem On-Board-Computer ab. Normalerweise geht es da um Abgaswerte, aber die neueren Modelle, so wie der BMW hier, überwachen auch alle sonstigen elektronisch gesteuerten Systeme und speichern die gemeldeten Zwischenfälle.«
    »Das Auto speichert seine Fahrtdaten?« Sie hätte sich eigentlich denken können, dass im Informationszeitalter inzwischen sogar Fahrzeuge ein Gedächtnis besaßen. »Ist das so etwas wie die Blackbox bei einem Flugzeug?«
    »So etwas in der Art, ja«, antwortete er ausweichend, als wäre er nicht daran interessiert, sie in die technischen Details einzuweihen. Er nahm einen kräftigen Schluck von seiner Cola und ging gemessenen Schrittes um den Wagen herum, wobei sein Blick unruhig über den BMW streifte. Nachdem er ihn einmal umrundet hatte, befasste er sich kurz mit den Grafiken auf dem Laptop. Er murmelte etwas, das Jule nicht verstand. Dann ging er zielstrebig zu den Werkzeugwagen, schnappte sich seine Handleuchte und stieg erneut in die Grube hinunter.
    »Aha. Also doch«, hallte seine Stimme nach wenigen Sekunden zu Jule nach oben. »Dass ich das nicht gleich gesehen habe. Hör mal«, forderte er sie auf.
    Ein metallisches Klopfen erklang aus der Grube. Jule hielt überrascht den Atem an. Sie konnte nicht sagen, ob es nun genau das Klopfen war, das sie heute Morgen so beunruhigt hatte, aber es hörte sich sehr ähnlich an.
    »Das war es doch, oder?«, wollte Rolf wissen.
    Jule rang sich zu einem »Ich denke schon« durch. Sicher war sie sich nicht.
    »Da hat sich eine Schraube vom Wärmeleitblech über dem Endtopf gelockert«, erklärte Rolf. »Nur eine Kleinigkeit.«
    Jule hatte keine Ahnung, wovon er da redete, aber sie vertraute ihm. Er war der Fachmann.
    Eine Weile lang hörte sie nichts außer seinem keuchenden Atem und einem gelegentlichen Klirren, wenn Metall auf Metall traf. Einerseits war sie froh, dass die Ursache des Klopfens offenbar nur eine Lappalie war. Andererseits ärgerte es sie maßlos, dass sie sich davon innerlich derart hatte aufwühlen lassen.
    »So, das war’s«, sagte Rolf, nachdem er aus der Grube geklettert war. Er lächelte sie an und machte sich auf den Weg zur Front des Wagens. »Hat auch gar nicht wehgetan.«
    »Schön«, erwiderte sie dankbar. Sie folgte ihm ein paar Schritte, blieb dann aber neben dem Kotflügel stehen.
    Während Rolf vor dem Laptop in die Hocke ging und wegen der geöffneten Motorhaube fast völlig aus Jules Blick verschwand, bückte sie sich und suchte unter dem Wagen nach der Stelle, an der er gearbeitet hatte. Es fiel ihr nach wie vor nicht leicht, vollends daran zu glauben, dass sie sich wegen einer Kleinigkeit derart große Sorgen gemacht hatte.
    Ein paar Minuten studierte Rolf die Analysedaten auf dem Laptop, ehe er schließlich die Schultern zuckte. »Ich kann da nichts Auffälliges erkennen. Gut möglich, dass der Motor heute Morgen nur einfach noch kalt war.«
    Danach stöpselte er den Laptop aus, schloss die Motorhaube, stieg in den Wagen ein, startete den Motor und fuhr hinaus auf den Hof. Jule folgte ihm zu Fuß.
    »Ich schicke die Rechnung an deine Firma.« Rolf hielt die Tür für sie auf.
    »Ja, mach das bitte.« Sie stieg ein.
    Anstatt die Tür zu schließen, fasste Rolf in die Brusttasche seines Blaumanns. »Hier.« Er drückte ihr eine Visitenkarte in die Hand. »Da ist meine Nummer drauf, falls … doch noch was mit dem Wagen sein sollte.«
    Für einen Moment schwiegen beide. Dann sagte Rolf »Vorsicht!« und schlug behutsam die Tür zu. Er winkte ihr flüchtig zu, bevor er quer über den Hof ging, die Plastiktüte mit den Resten des toten Kaninchens aufhob und um die nächste Ecke des Gebäudes verschwand.

48
     
    Das Ferkel war

Weitere Kostenlose Bücher