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Der Wind der Erinnerung

Der Wind der Erinnerung

Titel: Der Wind der Erinnerung Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Kimberley Wilkins
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obwohl ihre Hände und Augen vor Anstrengung schmerzten, und genoss die Wärme, während der Wind ums Haus fegte.
    Irgendwann konnte sie die Augen nicht mehr offen halten und legte die Handarbeit beiseite. Sie zündete eine Kerze an und ließ das Feuer verlöschen. Als sie den Fuß auf die erste Treppenstufe setzte, erinnerte sie sich wieder an Mikhail. Vermutlich war er eingeschlafen. Sie ging zu seinem Zimmer und horchte an seiner Tür.
    Ein Stöhnen. Hatte er ihre Schritte gehört? Sie lehnte sich noch näher heran. Er atmete schwer. Sie wollte nicht unaufgefordert eintreten, sorgte sich aber, dass er krank sein könnte.
    »Mikhail?«
    Wieder das Stöhnen; er versuchte, sie zu rufen. Ihr Puls ging schneller, als sie die Tür öffnete.
    Im flackernden Kerzenlicht bot sich ein schrecklicher Anblick. Mikhail lag da, wo sie ihn zurückgelassen hatte, doch sein ganzer Körper war erstarrt. Seine Fäuste waren geballt, der Rücken war wie der Bogen einer Violine gekrümmt. Er schaute sie flehentlich an. Sein Kiefer war zusammengepresst, und er rang mühsam nach Luft.
    »O Gott!«, rief sie und erinnerte sich an die Steifheit im Nacken und das Gefühl, Fieber zu haben. »O Gott! Charlie! Charlie!«
    Sie rannte in die Küche und rief nach ihm, obwohl er sie über die Entfernung nicht hören konnte. Auf einmal wurde ihr bewusst, wie isoliert die Farm lag, wie weit entfernt von jeglicher Hilfe. Sie hatten nicht mal Telefon, um einen Arzt zu rufen. Eisiges Mondlicht lag über dem taunassen Gras, sie drohte auszurutschen. Kurz darauf hämmerte sie an die Tür des Schererhäuschens.
    »Charlie, komm schnell! Es geht um Mikhail.«
    Er öffnete verschlafen und mit nacktem Oberkörper die Tür. »Was ist los?«
    »Das weiß ich auch nicht.«
    Er tastete auf dem Boden nach einem Hemd und zog es über, ohne es zuzuknöpfen. Dann rannte er schon vor ihr durch die Dunkelheit zum Haus. Der Wind hatte aufgefrischt und scheuchte die Wolken über das Angesicht des Mondes. Sie eilte Charlie mit hämmerndem Herzen nach, ihr Atem ein weißer Nebel in der kalten Nachtluft.
    Sie wartete vor der Schlafzimmertür. Sie wollte ihn nicht sehen, seine Körperhaltung hatte ihr Angst gemacht. Charlie ging mit der Kerze hinein und sprach in leisem Ton mit dem älteren Mann, der durch seinen starren Mund stöhnte, aber keine Worte bilden konnte. Dann kam Charlie wieder heraus, schloss die Tür und sah sie ernst an.
    »Es geht ihm schlecht. Er hat Wundstarrkrampf.«
    Beatties Herz zog sich zusammen. Sie hatte das Wort schon einmal gehört, mit dunklen Untertönen. »Was können wir tun?«
    »Er braucht ärztliche Hilfe.«
    »Kannst du zu Farquhar reiten und von dort telefonieren?«
    »Die Stadt ist kaum weiter entfernt. Vielleicht wird Farquhar uns nicht helfen, er mag Sie nicht.«
    Dies war nicht die Zeit, um beleidigt zu sein. »Woher weißt du das?«
    »Warum sollte er Sie mögen? Ihre Farm läuft besser als seine, das weiß er genau. Sein Land ist der reinste Sumpf.« Charlie brachte ein Lächeln zustande. »Die Stadt ist besser. Dr. Malcolm. Es wird Abby nicht gefallen, im Dunkeln zu laufen, aber wir haben immerhin Mondlicht.«
    »Nimmst du nicht Birch?«
    »Nicht ich reite in die Stadt, Missus, sondern Sie.«
    »Ich? Wieso ich? Du wärst schneller.« Und er ritt besser als sie.
    »In der Stadt halten mich alle für einen Dieb. Sie werden mir nicht helfen.«
    »Bestimmt nicht. Niemand hat Raphael gemocht.« Doch noch während sie es aussprach, fiel ihr ein, was Margaret vor einigen Jahren über Charlie gesagt hatte.
Ein Weißer sollte sich nicht von einem Schwarzen bestehlen lassen müssen.
»Muss ich wirklich im Dunkeln in die Stadt reiten?«
    »Abby ist ein braves Mädchen, Sie können ihr vertrauen. Sie hört und riecht Dinge, die wir nicht bemerken.«
    Beattie warf einen Blick auf Mikhails Tür und fragte ganz leise: »Wird er sterben?«
    Charlies dunkle Augen waren unergründlich. »Das weiß ich nicht, Missus. Ich habe einen Schwarzen am Starrkrampf sterben sehen, zwei andere haben sich davon erholt. Während Sie weg sind, reinige ich die Wunde an seinem Fuß und beruhige ihn.«
    Beattie nickte.
    »In meinem Zimmer im Häuschen liegt eine Taschenlampe. Die Batterie ist schwach, aber sie wird Ihnen helfen, Abby im Dunkeln zu satteln. Nehmen Sie sie mit. Für alle Fälle.«
    * * *
    Abby musste sich an die Dunkelheit gewöhnen. Sie schnaubte und scheute vor den Schatten, und Beattie musste sich zwingen, die Nerven zu behalten und beruhigend auf

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