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Der Wind der Erinnerung

Der Wind der Erinnerung

Titel: Der Wind der Erinnerung Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Kimberley Wilkins
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Freundin von Teddy in Paddington eine Tüte voller weiter Kleider abgeholt. Beattie trug nichts am Leib außer den Sachen, die sie am Strand angehabt hatte, und die würden nicht mehr lange passen.
    Er sah zum Fenster hoch, entdeckte sie und hob grüßend die Hand. Kein Lächeln. Das war nicht seine Art.
    Sie durfte nicht mehr an sich zweifeln, nicht jetzt. Sie hatte ihre Entscheidung getroffen, besser gesagt, ihr Herz hatte für sie gewählt.
    Morgen würde die Reise beginnen. Morgen gab es kein Zurück mehr.

[home]
    Fünf
    Emma: London 2009
    I ch war spät dran, ging aber davon aus, dass Josh sich inzwischen daran gewöhnt hatte. Die Probe war pünktlich zu Ende gewesen. Ich hatte mich angezogen und meine Handtasche aus dem Schließfach geholt. Mit den besten Vorsätzen hatte ich das Studio in der Shaftesbury Avenue verlassen – nirgendwo stehen bleiben, nichts anschauen, nichts kaufen –, doch in der Euston Road erkannte mich dann jemand.
    »Entschuldigen Sie! Entschuldigen Sie!« Eine honigsüße Stimme hinter mir, die näher kam.
    Ich blieb stehen und drehte mich um.
    Eine Frau mittleren Alters eilte mit ihrer unbeholfen wirkenden Tochter auf mich zu.
    »Hallo.«
    »Sie sind doch Emma Blaxland-Hunter, oder?« Die Frau strich ihre Bluse glatt, als wolle sie sich auf eine besondere Begegnung vorbereiten.
    »Ja, sehr erfreut.«
    Die Frau schaute von ihrer Tochter zu mir. »Das ist meine Tochter Glenys. Sie tanzt für ihr Leben gern. Könnten Sie ihr einen Rat geben? Sie möchte genau wie Sie werden.«
    »Mum!«, rief Glenys so peinlich berührt, wie es nur eine Zwölfjährige sein kann.
    An diesem Punkt hätte ich höflich lächeln und mich zurückziehen, mich mit einem dringenden Termin entschuldigen sollen, aber das konnte ich nicht. Gran hatte immer gesagt, ich solle die guten Zeiten mit anderen teilen, sie würden nicht ewig dauern. Als Kind war London die Stadt meiner Träume gewesen. Wenn man hier lebte und arbeitete und in seinem Beruf Erfolg hatte, war das eine besondere Ehre. Dass mir die Bewohner der Stadt mit solcher Begeisterung begegneten, überwältigte mich immer wieder. Eigentlich kam ich nicht gut mit anderen Menschen zurecht, vor allem nicht mit Kindern, aber es waren nur zwanzig Minuten meines Lebens. Während der Verkehr an uns vorbeibrauste und der lange Sommernachmittag verstrich, sprach ich mit Glenys, gab ihr ein paar Tipps und tanzte mit ihr auf dem Gehweg, während verwunderte Pendler in Richtung King’s Cross oder St. Pancras eilten. Glenys verlor rasch ihre Befangenheit, und ihre Augen leuchteten vor Aufregung. Schließlich gab ich ihr ein Autogramm auf einem alten Briefumschlag und ermutigte sie, weiterzutanzen.
    »Vielen, vielen Dank«, sagte das Mädchen und drückte den Umschlag an die Brust.
    Die Mutter nickte anerkennend. »Es war uns eine große Freude, Sie kennenzulernen. Die Mode Ihrer Großmutter schätze ich schon lange. Die Frauen in Ihrer Familie haben irgendetwas im Blut. So viel Kreativität und Energie.«
    Ich biss mir auf die Zunge, um nicht zu erwidern: »Da kennen Sie meine Mutter nicht.« Ich wandte mich ab und machte mich auf den Weg. Jetzt kam ich zu spät. Deutlich zu spät.
    Trotzdem war ich vor Josh im Restaurant. Unser Tisch war reserviert, und ich setzte mich, wobei mich die scharfen Faltkanten der Stoffservietten und die elegante Stille einschüchterten.
    Zehn Minuten vergingen. Er war immer noch nicht da. Das war ungewöhnlich. Ich lebte seit sechs Monaten mit ihm in einer geräumigen Mietwohnung in Chelsea und hatte festgestellt, dass sein Tag wie ein Uhrwerk ablief. Wenn der Wecker klingelte, stand er sofort auf, während ich wieder und wieder die Schlummertaste drückte. Ich klammerte mich an das letzte bisschen Schlaf, bis ich hörte, wie er die Schuhe anzog. Dann trieb mich das schlechte Gewissen aus dem Bett. Wenn er sagte, er werde um sechs nach Hause kommen, war er um sechs daheim: nicht früher, nicht später. Falls ihn etwas aufhielt, das sich seiner Kontrolle entzog – was selten vorkam –, rief er an und …
    Mein Handy! Hatte ich es überhaupt eingeschaltet?
    Ich wühlte in meiner Tasche. Ich hasste das verdammte Ding, aber Josh hatte darauf bestanden. Ich wusste kaum, wie es funktionierte, und vergaß in neunzig Prozent der Fälle, dass ich es besaß. Dutzende Anrufe sammelten sich jede Woche auf meiner Mailbox. Manchmal verzichtete ich sogar darauf, sie abzuhören; das alles hielt mich nur von den wirklich wichtigen Dingen

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