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Der Wind der Erinnerung

Der Wind der Erinnerung

Titel: Der Wind der Erinnerung Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Kimberley Wilkins
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mit gesenktem Kopf weitergegangen. Wie gern hätte sie ihnen etwas gegeben, doch sie hatte selbst seit vier Tagen keine Münze mehr in der Hand gehalten.
    »Wir haben nichts«, hatte er ihr nachgerufen. »Weniger als nichts.«
    Beattie hatte Lucy ins Haus geschoben und mit klopfendem Herzen die Tür geschlossen.
    »Was haben die Leute da gemacht? Was tun sie, wenn es regnet?«
    Beattie hatte nicht geantwortet, sondern die Kleine mit einem Spiel abgelenkt und versucht zu vergessen, was sie gesehen und gehört hatte. Am nächsten Morgen waren sie weg.
    Zum Glück schwand die Winterkälte. Beattie wagte lange nicht, ernsthaft mit Henry zu reden, weil er immer weniger Geduld mit ihr hatte und aus geringstem Anlass wütend wurde. Er musste endlich mit dem Trinken und dem Spielen aufhören. Kurz vor Lucys viertem Geburtstag befürchtete Beattie jedoch, dass sie kein Geld für ein Geschenk und nicht einmal Zucker und Eier für einen Kuchen hatten. Da konnte sie nicht länger schweigen.
    Es war ein regnerischer Abend, und das Prasseln auf dem Dach machte ihr Angst. Die Decke in Lucys Zimmer war nicht dicht, und das stete Tropfen in den Eimer hielt sie manchmal stundenlang wach. Beattie wollte aber sicher sein, dass ihre Tochter schlief, bevor sie mit Henry sprach, weil sie einen Streit befürchtete. Sie arbeitete zerstreut an einem Rock von Lucy, der neu gesäumt werden musste, und Henry las. Gewöhnlich saßen sie stundenlang schweigend da, weil sie einander nichts mehr zu sagen hatten.
    Beattie stand auf und spähte in Lucys Zimmer. Das Kind atmete tief und regelmäßig. Sie schloss die Tür und kehrte ins Wohnzimmer zurück, wo sie sich vor Henry aufbaute.
    Endlich schaute er hoch. »Was ist?«
    »Liebst du deine Tochter?« Eigentlich sollte es nicht so herausfordernd klingen, aber ihre Wut hatte sich lange aufgestaut.
    »Natürlich.«
    »Hat sie keine neuen Schuhe verdient? Hat sie keinen vollen Magen verdient? Öfter als alle zwei Wochen ein Stück Fleisch?«
    Henrys Augen wurden schmal, seine Pupillen schrumpften zu Stecknadelköpfen. Er stand auf, und Beattie rutschte das Herz in die Hose. »Was willst du damit andeuten?«
    »Du hast es gut. Du bekommst ein Gehalt. Und doch wirfst du alles für Gin und Kartenspiele weg. Wir sind
arm,
Henry.«
    »Alle sind arm«, sagte er und wandte sich ab.
    Beattie holte tief Luft. »Wenn du deine Tochter liebtest, würdest du nicht mehr trinken und spielen.«
    Seine Reaktion kam unglaublich schnell und schmerzhaft: ein Schlag mit der flachen Hand ins Gesicht.
    »Du hast mir nichts zu befehlen, Frau«, zischte er, drehte sich um und stapfte davon, während sich Tränen der Hilflosigkeit in ihren Augen sammelten. Sie brachte es nicht über sich, ihn zu rufen. Er hatte ihr die Stimme genommen.
     
    Als der zweite Brief eintraf, konnte sie ihn nicht ignorieren.
    Diesmal erkannte sie die Handschrift sofort und spürte ein Brennen in der Brust.
    Beattie setzte Lucy mit einem alten Holzpuzzle an den Küchentisch und stellte den Kessel auf den Herd. Sie zögerte, weil das Gas einen Penny kostete, doch das war es wert. Als das Wasser kochte, überzeugte sie sich, dass Lucy beschäftigt war, und hielt den Umschlag vorsichtig über den Dampf. Sie schob behutsam den Fingernagel unter die Lasche, während ihr Puls am Hals pochte. Wenn Henry es herausfände …
    Die Lasche gab nach, und Beattie schaltete rasch das Gas aus. Mit zitternden Fingern entfaltete sie das Blatt und las.
     
    Lieber Henry, ich kann dir gar nicht sagen, wie sehr ich mich über deinen Brief gefreut habe …
     
    Beattie ließ die Seite einen Moment lang sinken, gefangen zwischen Ungläubigkeit und Zorn. Hatte er Molly geschrieben? Ihr selbst hatte er verboten, Verbindung zu ihren eigenen Eltern aufzunehmen, fand es aber statthaft, seiner Frau zu schreiben? Sie atmete flach, ihr Herz hämmerte heftig.
    »Was ist los, Mummy?«, fragte Lucy und schaute sie unverwandt aus ihren grauen Augen an.
    Beattie zwang sich zu einem flüchtigen Lächeln. »Nichts. Bist du mit dem Puzzle fertig?«
    »Der Kopf vom Kätzchen fehlt.«
    »Ach herrje.« Beattie unterdrückte das Zittern, ergriff Lucys Hand und zog sie sanft von ihrem Stuhl. »Geh mal in mein Zimmer. Da kannst du dir etwas zum Verkleiden suchen.«
    »Ja! Darf ich auch die Perlenkette anziehen?«
    »Ausnahmsweise.«
    Lucy hüpfte davon, und Beattie wandte ihre Aufmerksamkeit wieder dem Brief zu. Sie schluckte heftig, bevor sie ihn entfaltete.
     
    Ich habe nie aufgehört, an

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