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Der Wind der Erinnerung

Der Wind der Erinnerung

Titel: Der Wind der Erinnerung Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Kimberley Wilkins
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dich zu denken und mich zu fragen, ob es dir gutgeht und ob du glücklich bist. Du bist immer noch mein Mann und wirst es immer bleiben, auch wenn du solche törichten Entscheidungen getroffen hast. Ich muss gestehen, dass es mir furchtbar weh getan hat, als ich von deinem Kind hörte, denn es war, wie du weißt, mein sehnlichster Wunsch, Kinder zu haben. Aber es war mir nicht vergönnt. Wenn du mir ein Foto der Kleinen schicken könntest, wäre es mir eine große Freude und Erleichterung.
     
    Die Tigerin in Beattie knurrte. Diese Frau wollte ein Bild von Lucy haben? Warum um alles in der Welt? Sie hatte kein Anrecht auf das Kind und würde es nie haben. Eher würde Beattie einen Mord begehen.
    Dann erwachte ihr Argwohn. Was war los mit Molly? Weshalb verhielt sie sich so freundlich? Henry hatte sie verlassen, sich am anderen Ende der Welt ein neues Leben aufgebaut, eine andere Frau genommen. Wo war ihr Zorn? Wo der boshafte Hass? Verbarg sie ihn, oder empfand sie tatsächlich nicht so?
    In den nächsten beiden Absätzen ging es um Glasgow, das Wetter, den Verkehr, ihre alte Tante. Der letzte Absatz traf Beattie ins Herz.
     
    Aus dem Tonfall deines Briefes schließe ich, dass du der Vorstellung, ich könnte wieder eine Rolle in deinem Leben spielen, nicht gänzlich abgeneigt bist. Vielleicht ist es töricht von mir (ich bin keine junge, hübsche Närrin wie Beattie, mein dreiunddreißigster Geburtstag steht kurz bevor), doch als ich deinen Antrag angenommen habe, war es für mich eine lebenslange Verpflichtung. Daran hat sich nichts geändert. Wenn du möchtest, dass ich dir das Geld für die Rückfahrt nach Glasgow schicke, werde ich das nur zu gerne tun.
    Deine Ehefrau Molly
     
    Wie konnte sie es wagen? Wie konnte sie es wagen, Henry von ihr wegzulocken …
    Dann begriff sie, dass Molly nur das tat, was sie selbst zuvor getan hatte. Beattie hatte Henry weggelockt. Sie hatte gewusst, dass er verheiratet war; sie hatte sich seine Geschichten über Molly angehört, wie langweilig sie war, dass sie nie mit ihm schlafen wollte, wie altmodisch sie sich kleidete. Und sie hatte keinen weiteren Gedanken an Molly verschwendet.
    Am liebsten hätte sie den Brief in Fetzen gerissen, doch sie schob ihn behutsam in den Umschlag, drückte die Lasche an, bis sie klebte, und stellte den Brief auf den Kaminsims. Würde Henry sie verlassen? Sicherlich nicht. Er würde sich nicht von Lucy trennen. Mit diesem Gedanken tröstete sie sich und ging zu ihrer Tochter ins Schlafzimmer, wo sie ein wildes Verkleidungsspiel begannen. Lucy, die in Beatties Kleid förmlich ertrank, hatte einen Hut aufgesetzt und sich in eine anspruchsvolle Kundin verwandelt. Beattie spielte die Rolle von Jean in ihrem Kolonialwarenladen. Sie hatten viel Spaß, bis Beattie einen Blick auf Lucy im Spiegel erhaschte. Das schimmernde rote Haar, die enge Bindung von Vater und Tochter. Da begriff sie, ihr Blut gefror in den Adern.
    Vielleicht glaubte Henry, er könne Lucy mitnehmen.
    Auf einmal geriet sie in Panik. Was sollte sie tun, wenn Henry es sich in den Kopf setzte, ihre Tochter mit nach Glasgow zu schleppen?
    Sie eilte hinaus, obwohl Lucy lautstark protestierte, schnappte sich den Brief und verbrannte ihn im Kamin. Sie beobachtete, wie er sich kräuselte und schwarz wurde. Mollys Einladung zerfiel zu Asche.
    »Was machst du da, Mummy?«
    Das Mädchen stand, noch immer verkleidet, auf der Schwelle.
    »Nichts.« Beattie kniete sich vor Lucy hin und legte ihr die Hände auf die Schultern. »Du bist so kostbar, mein Schatz.«
    Lucy, die nie viel Geduld mit Beattie hatte, schüttelte sie ab. »Na los, ich muss Honig und Schinken kaufen.«
    Beattie folgte ihr mit klopfendem Herzen und der Gewissheit, das Richtige getan zu haben.
     
    Für Henry gab es nur zwei Möglichkeiten, um sein schlechtes Gewissen wegen Lucys viertem Geburtstag zu beschwichtigen. Entweder lieh er sich Geld bei Billy, um ein Geschenk und eine Torte zu kaufen, oder aber er ertränkte es in Alkohol. Wie jeden Tag zog sich sein Magen bei der Vorstellung zusammen, und doch konnte der Vorgeschmack der brennenden Flüssigkeit auf seiner Zunge sein Herzflattern vertreiben.
    Also entschied er sich für beide Möglichkeiten.
    Der kleine Schreibtisch, an dem er arbeitete, stand vor dem Fenster des Büros. Vom zweiten Stock aus konnte er auf den dunkel schimmernden Derwent River hinunterblicken. Allerdings schaute er selten hin, denn Billy lud ihm viel Arbeit auf und drohte schweigend mit dem Geld, das

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