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Der Wind der Erinnerung

Der Wind der Erinnerung

Titel: Der Wind der Erinnerung Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Kimberley Wilkins
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hier denn keine andere Arbeit?«, fragte sie mutlos.
    »Kann schon sein. Ich gebe Ihnen ein bisschen Zeit, bis Sie sich eingelebt haben.« Sie lächelte. »Schauen Sie nicht so besorgt. Sie sind hier sicher.«
    Beattie senkte den Blick und sah zu Lucy. Jetzt weinte sie wirklich. »Vielen Dank«, flüsterte sie, war sich aber nicht sicher, ob Margaret es gehört hatte. Dann fasste sie sich und blickte auf. »Der Mann, der uns geholfen und Lucy gerettet hat, sagte, er sei in Lewinford nicht willkommen. Er müsse die Stadt verlassen.«
    Margaret sah sie prüfend an. »Wie hieß er denn?«
    »Charlie.«
    »Charlie Harris?«
    »Nach seinem Familiennamen habe ich nicht gefragt.«
    »Er macht Schwierigkeiten. Diese Mischlinge stehen mit einem Fuß in unserer und mit dem anderen in ihrer Welt. Das bringt sie durcheinander. Die müsste man alle irgendwo zusammenpacken, weit weg von den Weißen.«
    »Was für Schwierigkeiten?« Beattie musste daran denken, wie sanft er mit Lucy umgegangen war. Sie wollte Margaret, die ihr so freundlich begegnet war, nicht verurteilen, aber auch Charlie hatte das nicht verdient.
    »Er war Verwalter auf Wildflower Hill, einer Schaffarm am anderen Ende der Stadt. Aber er hat die ganze Zeit seinen Boss bestohlen. Nun mag Raph Blanchard selbst ein Schurke sein, aber ein Weißer sollte sich nicht von einem Schwarzen bestehlen lassen müssen. Schluss, aus.«
    »Ich muss sagen, dass Charlie mir sehr nett vorkam«, wagte sich Beattie vor.
    Margaret tat das Thema mit einem Schnauben ab. »Selbst eine kaputte Uhr zeigt zweimal am Tag die richtige Zeit.« Sie legte den Stickrahmen weg und schaute Beattie eindringlich an. »Muss ich damit rechnen, dass Ihr Mann herkommt und Sie zurückhaben will?«
    Beattie entschloss sich, ehrlich zu sein. »Er ist nicht mein Mann. Er ist der Mann einer anderen Frau.«
    Margarets Mund wirkte plötzlich streng, ihr Gesicht gar nicht mehr so hübsch. »Das Kind wurde also unehelich geboren?«
    »Ja. Ich war sehr jung und dumm.«
    »Ist sie getauft?«
    Beattie schüttelte den Kopf.
    »Das müssen Sie noch erledigen. In der Maud Street gibt es eine kleine Kirche. Ich halte dort die Sonntagsschule ab. Sie kann mit mir hingehen.«
    Beattie wusste nicht recht, was sie sagen sollte.
    »Gut, das wäre also entschieden.«
    Einen Moment lang war Beattie überrumpelt. Was genau war entschieden worden? Dann aber dachte sie sich, dass Sonntagsschule und eine richtige Taufe nicht schaden konnten. Sie saßen noch eine Weile schweigend da, bis Beattie schließlich sagte: »Es tut mir so leid, Margaret, aber mir fallen die Augen zu.«
    Die andere Frau lächelte, sie wirkte wieder hübsch und freundlich. »Sie Ärmste, Sie müssen völlig erschöpft sein. Lassen Sie das Kind kurz hier, dann zeige ich Ihnen das Zimmer.«
    Sie gingen durch den schmalen Flur in die Waschküche, von wo aus eine Treppe auf den Dachboden führte. Es roch staubig und ein wenig feucht. Margaret schaltete das Licht ein. Das Dach war niedrig und schräg, in den Ecken sammelten sich Spinnweben. Der Boden war mit alten Zeitungen bedeckt. Es gab einen Kleiderschrank und ein schmales Bett mit einer dünnen Matratze.
    »Es ist nicht viel, aber Sie haben ein Dach über dem Kopf.«
    Beattie zwang sich zu einem Lächeln. »Ich bin Ihnen sehr dankbar.«
    »Ich hole Bettwäsche.«
    Beattie munterte sich mit dem Gedanken auf, dass sie die Spinnweben entfernen und für einen Teppich sparen würde. Margarets Bettwäsche war weich und hübsch, und sie war glücklich, als sie Lucy hineinlegen, sich an sie schmiegen und endlich schlafen konnte.
     
    In den ersten Wochen hatten sie viel zu tun und aßen gut. Margaret brachte ihr bei, wie die Nähmaschine funktionierte, und Beattie übernahm alle Ausbesserungsarbeiten. Es gab zwei Körbe voll, und jeden Tag traf mehr ein. Niemand hatte Geld für neue Kleider, die alten mussten lange halten. Nachdem sie morgens genäht hatte, blieb nachmittags Zeit für Lucy. Sie sammelten die alten Zeitungen auf, schrubbten den Boden, entfernten die Spinnweben, und Lucy überredete Margaret sogar, ihnen ein kleines Bild zu schenken, das sie an die Wand hängen konnten. Es zeigte ein Boot auf einem Fluss, und Lucy hatte großen Gefallen daran gefunden. Einmal in der Woche nahm Margaret das Mädchen mit zur Sonntagsschule, und Beattie genoss es, den Morgen für sich zu haben. Sie benutzte die Nähmaschine, um ihre eigenen Kleider auszubessern. Wie gern hätte sie ein Stück Stoff für ein neues Kleid

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