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Der Wind der Erinnerung

Der Wind der Erinnerung

Titel: Der Wind der Erinnerung Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Kimberley Wilkins
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gekauft, doch sie hatte keinen Penny in der Tasche. Margaret drängte sie freundlich, mit dem Bus in die nächste Stadt zu fahren und die staatliche Hilfe zu beantragen, doch Beattie blieb standhaft. Sie war fest entschlossen, für ihr Geld zu arbeiten; nie wieder wollte sie von anderen abhängig sein. Also erkundigte sie sich in allen Geschäften nach Arbeit und hoffte, dass sich bald etwas ergeben würde.
    In der vierten Woche war es so weit.
    Beattie saß gerade auf dem Sofa und stopfte Socken. Lucy spielte zu ihren Füßen ganz vertieft mit Wäscheklammerpuppen; es war der erste Tag, an dem sie nicht nach ihrem Vater gejammert hatte. Margaret hatte unbewusst geholfen, das Kind zu beruhigen, indem sie den Fragen mit einem strengen Blick begegnete und sagte: »Wenn Gott deinem Vater geholfen hat, gesund zu werden, wird er ihm auch helfen, dich zu finden.« Die Vorstellung von Gott begeisterte und ängstigte Lucy; Beattie hingegen hatte einfach furchtbare Angst, dass Henry sie aufspüren könnte.
    Margaret trat das Pedal ihrer Nähmaschine und hörte nicht, als es an die Tür klopfte. Also stand Beattie auf und öffnete.
    Draußen stand eine Frau in mittleren Jahren mit enorm ausladender Brust. Sie trug eine Brille und hatte das Haar zu einem straffen Knoten auf dem Kopf aufgetürmt. »Ich suche Beattie Blaxland.«
    »Das bin ich.« Das Herz klopfte ihr bis zum Hals. Was war geschehen? Hatte Henry sie geschickt?
    »Ich bin Alice, die Haushälterin auf Wildflower Hill. Wir haben heute Morgen ein Hausmädchen verloren, und ich hörte, du suchst Arbeit.«
    »Das stimmt!« Beattie zwang sich, nicht zu aufgeregt zu klingen. Noch hatte sie die Stelle nicht sicher. »Möchten Sie hereinkommen?«
    Alice rümpfte die Nase. »Lieber nicht. Wann kannst du anfangen?«
    »Morgen Nachmittag? Vormittags arbeite ich für Margaret.«
    »Geht es auch um zehn? Du musst mir beim Mittagessen helfen.«
    Beattie zögerte, beschloss dann aber, früher aufzustehen und die Arbeit für Margaret vorher zu erledigen. »Ja, natürlich. Dann bin ich um zehn Uhr da.«
    »Nein, nein. Ich schicke den Wagen. Es ist ein langer Weg, du wärst erschöpft, bevor du überhaupt angefangen hast.« Alice drehte sich um und marschierte rasch die Stufen hinunter zu einem wartenden Auto.
    Beattie ging wieder hinein und erklärte Margaret, die sie die ganze Zeit über argwöhnisch anschaute, die Situation.
    »Ich gebe nicht viel auf Klatsch, aber ich muss Sie trotzdem vor Wildflower Hill warnen.«
    »Warnen?«
    »Es ist ein Ort voller Sünder.«
    Beattie musste ein ungeduldiges Seufzen unterdrücken. Margarets ständiges Gerede von Gott und Sünde ging ihr auf die Nerven. Sie war sich nicht sicher, ob sie an Gott glaubte; der Atheismus ihres Vaters hatte sie zur Skeptikerin gemacht. Doch wenn es Gott wirklich gab, wäre er gewiss freundlicher als der, an den Margaret glaubte.
    »Alice ist also eine Sünderin?«, erkundigte sich Beattie bemüht freundlich.
    »Wer vor solchen Dingen die Augen verschließt, ist eine Sünderin, ganz gewiss. Das sollten Sie nicht vergessen.« Margaret berührte lächelnd ihre Hand. »Ich möchte Ihnen keine Angst machen, meine Liebe, aber Raphael Blanchard, der Besitzer von Wildflower Hill, ist ein schlechter Mensch. Sie sollten sich so weit wie möglich von ihm fernhalten.«
    »Danke für den Rat«, sagte Beattie pflichtschuldig. »Könnte ich Lucy bei Ihnen lassen, während ich arbeite?«
    »Natürlich. Wir werden es uns schön machen, nicht wahr, Lucy?«
    Das Mädchen sprang auf und umarmte Margaret. Beattie war erleichtert und verwirrt zugleich, durfte sich aber nicht beschweren. Sie hatte ein Zuhause, zu essen, Hilfe mit ihrem Kind und jetzt auch noch eine Arbeit. Wenn sie ein bisschen eigenes Geld verdiente, könnte sie einen Teppich für den Dachboden oder neue Schuhe für Lucy kaufen. Sie glaubte keine Sekunde lang, dass Wildflower Hill voller Sünder war; es gab andere Dinge, vor denen sie sich mehr fürchtete.
     
    Pünktlich um zehn bog der Wagen in die Straße ein. Beattie wartete nervös am Gartentor, während Lucy von der Veranda aus zuschaute.
    »Da ist er, Mummy!«, rief sie.
    »Geh wieder rein. Und sei für Margaret ein braves Mädchen.«
    »Ich bin ein braves Mädchen für Jesus«, erwiderte Lucy feierlich.
    Beattie warf ihr eine Kusshand zu und stieg ins Auto, in dem es nach Öl und Leder roch. »Guten Morgen«, begrüßte sie den Fahrer, einen großen Mann mit einem Kopf, der wie in Stein gemeißelt wirkte. Er

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