Der Wind der Erinnerung
grinste über sein ganzes sonnengerötetes Gesicht. »Aber ich hoffe, du gibst mir eine Stelle, wenn du gewinnst.«
Am ersten Abend schlich Mikhail zu ihr.
»Komm, wir üben. Du gewinnst.«
»Ich danke dir, Mikhail.«
Was ein netter Zeitvertreib gewesen war, wurde nun zu einem ernsthaften Unternehmen. Sie saßen auf den Obstkisten und pokerten. Mikhail teilte eine Hand nach der anderen aus. In dieser Woche übten sie in jeder freien Minute, und die Streichhölzer wanderten zwischen ihnen hin und her. Die kleinen Holzstücke waren unwichtig; die Knöpfe am Sonntagabend hingegen wären Gold wert.
Obwohl Beattie eine kluge Spielerin war, merkte sie bald, wie sehr alles vom Glück abhing. Sie wusste, wann sie den Einsatz erhöhen musste, um den Verlust zu begrenzen. Was sie aber nie kontrollieren konnte, waren die Karten, die sie bekam. Manche Spiele waren einfach nicht zu gewinnen.
Am Abend vor dem Spiel, der letzten Gelegenheit, bei der sie üben konnte, fragte Mikhail geradeheraus: »Behältst du mich hier, wenn du gewinnst?«
Beattie war verblüfft. Sie hatte noch gar nicht darüber nachgedacht, was sie mit dem Personal anfangen würde. Sie hatte kein Geld, um die Leute zu bezahlen, und würde, so wie es aussah, auch nicht das Auto bekommen, das Mikhail fuhr. »Ich weiß es nicht«, sagte sie schuldbewusst. Wenn sie gewann, verlöre er seine Arbeit. »Ich glaube, es geht nicht.«
»Ach, macht nichts«, knurrte er und gab wieder.
»Du kannst so lange bleiben, bis du eine neue Stelle gefunden hast. Alice auch, aber sie will wohl gehen.«
»Immer geht alles mal zu Ende. Dir gehört vielleicht schlechtes Geschäft.«
Beattie wurde von Angst und Selbstzweifeln geplagt. Das alles war doch verrückt. Hätte sie ein bisschen Verstand gehabt, wäre sie nach Hobart gegangen und hätte dort Arbeit gesucht oder vor dem Arbeitsamt angestanden … In diesem Augenblick war sie sicher, dass sie sich eine Nacht lang Raphaels lasterhaften Wünschen hingeben musste wie irgendeine Prostituierte. Und am nächsten Morgen stünde sie ohne Arbeit da. In diesem Fall hätte sie es auch nicht verdient, Lucy zu behalten. Sie wäre mit einer Mutter wie Molly besser dran.
Mikhail griff über den Tisch und wischte ihr mit den Handknöcheln eine Träne von der Wange. Beattie hatte gar nicht gemerkt, dass sie weinte. »Manchmal gewinnen, manchmal verlieren. Egal. Machen weiter.«
Sie zwang sich zu lächeln. »Danke, Mikhail.«
»Noch eine Runde?«
»Noch eine Runde.«
Es gibt zwei Arten von Frauen, Beattie. Die einen tun Dinge, und den anderen tut man Dinge an.
Beattie erbebte innerlich. Ihr Mund war trocken, das Herz schlug gegen die Rippen.
Zwei Arten von Frauen …
Sie zwang sich, die Hände still zu halten, und öffnete die Wohnzimmertür. Raphael saß am blankpolierten Pokertisch und mischte die Karten. Er hatte sie noch nicht gesehen, doch Leo Sampson blickte vom Sofa auf und lächelte ihr ermutigend zu.
Die einen tun Dinge, und den anderen tut man Dinge an …
Tief Luft holen. Sie ging mit steifen Beinen zum Tisch und setzte sich Raphael gegenüber.
Er schaute noch immer nicht hoch. »Nur damit du es weißt, Beattie. Leo hat sich die Karten angesehen und meine Ärmel auf versteckte Asse überprüft.« Er stieß ein wildes Lachen aus und sah ihr in die Augen. Seine Pupillen waren vor Lust geweitet. »Du siehst heute Abend wunderschön aus. Ich werde es genießen. Hast du die Knöpfe mitgebracht?«
»Nein, ich …« Sie wollte aufstehen, doch Raphael war schon auf die Füße gesprungen.
»Ich hole sie. Sonst läufst du mir noch weg. Du siehst aus, als wäre dir schlecht vor Angst.« Er eilte aus dem Zimmer, und sie war allein mit Leo Sampson und ihrem hämmernden Herzschlag.
»Beattie«, sagte er leise, als Raphael außer Hörweite war, »ich habe hier die Verträge, er hat sie bereits unterschrieben. Wenn Sie verlieren, werde ich sie zerreißen, doch wenn Sie gewinnen, gehört Ihnen das Anwesen. Alles ist absolut legal.«
Sie versuchte, sich auf seine Worte zu konzentrieren. »Verstehe.«
»Er überträgt Ihnen allerdings nur das Haus, das Land und das Vieh. Wenn er verliert, nimmt er die Möbel, das Auto und alles Übrige mit. Beattie, wenn Sie gewinnen, sollten Sie am besten alles verkaufen und das Geld klug anlegen. Ein Häuschen in der Stadt erwerben.«
Doch dann hätte sie kein Geld für Essen. »Ist es eine gute Farm?«
»Sie läuft schlecht, aber nur weil sie schlecht geführt wurde. Sie könnte
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