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Der Wind der Erinnerung

Der Wind der Erinnerung

Titel: Der Wind der Erinnerung Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Kimberley Wilkins
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Ich hatte Geschichten über die Leute vom Land gehört und gehofft, dass sie nicht stimmten. Ich wollte nicht ständig Besuch haben. Im Umgang mit Menschen war ich nicht gut; Smalltalk lag mir nicht. Ich sagte stets das Falsche, verstand Dinge nicht richtig oder wirkte wie eine verwöhnte Prinzessin.
    Ich verließ das Schlafzimmer und ging zum Treppenabsatz, wo ich abrupt stehen blieb. Ich versuchte, unnötiges Treppensteigen nach Möglichkeit zu vermeiden.
    »Wer ist da?«
    »Mr. Hibberd hat mich geschickt«, antwortete eine Frauenstimme. »Die Tür steht offen, kann ich hereinkommen? Ich weiß, Sie haben ein kaputtes Knie.«
    Mr. Hibberd. Ich hatte ihm ausdrücklich gesagt, dass ich keine Hilfe brauchte. Doch bevor ich antworten konnte, stand sie schon im Haus, in jeder Hand einen meiner Koffer. Sie war jung – Anfang zwanzig – und hatte das blonde Haar zu einem Pferdeschwanz gebunden. Sie trug Jeans und ein blaues T-Shirt.
    »Hi«, sagte sie, »ich bin Monica Taylor.«
    »Emma.«
    »Wer
Sie
sind, weiß ich natürlich. Hier im Ort wissen alle, wer Sie sind.«
    »Kommen die auch alle unangekündigt vorbei?« Dann bereute ich meine unfreundlichen Worte. Wann war ich zu einer zänkischen alten Frau geworden?
    Monica schüttelte den Kopf. »Hören Sie, Mr. Hibberd hat mich dafür bezahlt, dass ich heute Nachmittag vorbeischaue. Mein Vater hat sich in seiner Jugend um den Garten gekümmert, es gibt also eine gewisse Familientradition. Ich habe ein paar Sachen für Sie im Auto. Saubere Wäsche, Lebensmittel, sogar Blumen. Ich will mich nicht einmischen oder Ihre beste Freundin werden. Ich lasse die Sachen einfach hier und fahre wieder.«
    Ich seufzte. »Es tut mir leid. Das Problem ist die Treppe. Ich habe Angst davor. Ich weiß, ich muss mich daran gewöhnen, und es ist auch nicht mehr so schlimm wie am Anfang …« Ich versuchte zu lächeln. »Ich bin Ihnen wirklich dankbar. Geben Sie mir ein bisschen Zeit, ich komme gleich runter.«
    »Nicht nötig. Ich stelle das Zeug einfach in die Küche.« Sie war schon wieder verschwunden, als ich langsam losging. Das Hinuntersteigen tat immer mehr weh. Wir trafen uns in der Küche, wo sie darauf bestand, dass ich mich setzte – »Ich muss mir mein Geld auch verdienen« –, während sie den Kühlschrank einschaltete, einen neuen elektrischen Wasserkocher auspackte, Teller und Tassen spülte und die Lebensmittel verstaute. Dabei redete sie die ganze Zeit. Sie habe Beattie nie kennengelernt, aber alle in der Stadt seien sehr stolz auf ihre Unabhängigkeit und ihren Unternehmergeist gewesen und dass sie darauf bestanden habe, für ihre edle Mode tasmanische Wolle zu verwenden. Ich hörte zu und schaute sehnsüchtig auf den Wasserkocher. Eine Tasse Tee wäre jetzt genau richtig.
    Monica schien meine Gedanken zu lesen. »Wie wäre es, wenn ich Ihnen einen Tee mache und Sie danach in Ruhe lasse?«
    »Wir trinken einen zusammen.« Ich wollte mein schlechtes Benehmen von vorhin wiedergutmachen.
    Das strahlende Lächeln verwandelte Monicas blasses, kleines Gesicht. »Das wäre toll.«
    Also tranken wir zusammen Tee. Sie erzählte, dass sie einen Job in Hobart gehabt habe, das Stadtleben aber bald leid geworden sei. Ich musste ein Lachen unterdrücken, weil Hobart so klein war. Sie sei nach Lewinford zurückgekehrt und wohne mit ihrem Bruder zusammen, der als Englischlehrer an der örtlichen Highschool arbeite. Sie übernehme Aushilfsjobs und arbeite ein paar Stunden in der Woche in der Apotheke. Während sie erzählte, dachte ich an die gewaltige Aufgabe, die mir bevorstand. Wenn ich in drei Wochen abreisen wollte, brauchte ich Hilfe.
    »Monica, falls Sie Arbeit suchen, könnten Sie mir ein paar Tage in der Woche helfen, alles auszusortieren. Ich werde das Haus verkaufen, muss es aber zuerst leer räumen. Hier stehen Hunderte von Kartons, und alles muss gründlich gereinigt werden.«
    »Das wäre super!«, quiekte sie. »Das würde mir so viel Spaß machen. Ich hatte mich schon gefragt, wie Sie das mit Ihrem Knie schaffen wollen. Wann soll ich anfangen? Sofort? Ich kann die Küche ausmisten, während Sie sich ein bisschen ausruhen.«
    Obwohl ich mir dabei wie eine Großmutter vorkam, war die Vorstellung, ein Nickerchen auf sauberen Laken zu halten, während jemand anders meine Küche in Ordnung brachte, durchaus verlockend.
    »Na schön«, sagte ich, »legen Sie los.«
     
    Gegen drei Uhr morgens erwachte ich vom Geräusch des Regens. Mir fiel ein, dass ich alle Fenster offen

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