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Der Wind der Erinnerung

Der Wind der Erinnerung

Titel: Der Wind der Erinnerung Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Kimberley Wilkins
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vielleicht Mitleid mit mir und …
    Autsch. War ich wirklich so verzweifelt, dass ich auf sein Mitleid spekulierte?
    Ich schaute auf die Uhr. In London war es acht Uhr abends. Josh konnte ich nicht anrufen, wohl aber Adelaide. Sie arbeitete nicht mehr für mich, würde mir aber sicher helfen.
    Zuerst aber musste ich die Treppe schaffen. Als ich oben stand, flatterte mein Herz. Würde ich dieses Gefühl jemals überwinden? Da mich niemand sehen konnte, setzte ich mich auf die oberste Stufe, streckte die Beine aus und rutschte auf dem Po bis ganz nach unten. Wie ein Kleinkind. Immerhin wurde mir nicht schwindlig.
    Es gab nur ein Telefon, das mit einer Steckdose im Flur verbunden war. Eigentlich brauchte ich ein schnurloses Telefon oder mein verhasstes Handy, aber ich wollte ja nicht lange bleiben. Es würde schon irgendwie gehen. Ich wählte Adelaides vertraute Nummer und wartete.
    »Hallo?« Sie war außer Atem, als wäre sie gelaufen.
    »Hi, Adelaide. Hier ist Emma.«
    Überraschung. »Oh, Emma! Ich hatte jemand anderen erwartet. Neuer Chef.«
    »Für wen arbeitest du?«
    »Alberto Moretti«, seufzte sie.
    »Nein! Den fliegenden Faschisten? Um Himmels willen, wie bist du denn an den Job gekommen?«
    »Seine letzte Assistentin hat in der Woche, in der du nach Australien geflogen bist, gekündigt. Und ja, er ist genauso schlimm, wie die Leute behaupten. Er ruft einen Tag und Nacht an und will alles gestern erledigt haben.« Sie lachte. »Es ist
so schön,
von dir zu hören. Erinnert mich an die gute alte Zeit, als ich für einen normalen Menschen gearbeitet habe.«
    »War ich normal? Ich habe immer geglaubt, ich würde nur um mich selbst kreisen.«
    »Ja, aber auf eine nette Art. Wie ist es in Sydney?«
    »Ich bin nicht in Sydney. Ich bin in Tasmanien, sechs hinternzerschmetternde Kilometer Landstraße außerhalb einer Kleinstadt namens Lewinford. Meine Großmutter hat mir ein Haus hinterlassen, und ich bringe es in Ordnung, weil ich es verkaufen will.« Ich erzählte ihr die ganze Geschichte, sogar von dem geheimnisvollen Foto, das ich letzte Nacht gefunden hatte. Ich wusste, dass ich zu viel redete, aber ich schämte mich, den eigentlichen Grund meines Anrufs zu erwähnen.
    Nach einigen Minuten sagte sie: »Tut mir leid, Emma, aber ich muss jetzt Schluss machen. Alberto wird sicher gleich anrufen und ist sauer, wenn er mich nicht erreicht.«
    »Einen Moment noch. Ich wollte nur … hast du … irgendetwas von Josh gesehen oder gehört?«
    Sie dachte kurz nach. »Von Josh? Nein.«
    »Adelaide, du hältst mich sicher für einen Idioten, aber … ich weiß nicht, ob er überhaupt von meinem Unfall erfahren hat und …«
    »Er weiß es«, sagte sie rasch. »Er hat mich angerufen, als du nach einer Operation im Krankenhaus warst. Er hatte es in der Zeitung gelesen.«
    Etwas in mir gab nach. »Wirklich? Warum hast du es mir nicht erzählt?«
    »Er hatte mich darum gebeten. Er wollte nicht … Ach, keine Ahnung.«
    »Dass ich mir Hoffnungen mache?«
    »Ja«, gestand sie. »Genau das hat er gesagt.«
    Das tat weh. Ich musste tief Luft holen.
    »Ich muss jetzt wirklich Schluss machen.«
    »Falls du ihn siehst, sag ihm, dass ich in Australien bin. Gib ihm die Nummer meiner Mutter. In ein paar Wochen bin ich wieder in Sydney.«
    »Warum rufst du ihn nicht selbst an?«, fragte sie sanft. »Ihr wart lange zusammen. Er würde sich sicher freuen, von dir zu hören.«
    Ich unterdrückte ein bitteres Lachen. »Er soll nicht denken, dass ich mir Hoffnungen mache.« Ich gab ihr die Telefonnummern und beendete das Gespräch. Dann trat ich nach draußen in den kühlen, frischen Morgen. Die Vögel sangen noch, die Sonne schien flach über die feuchten Felder, und der Himmel war traumhaft blau. Es war wie ein Foto aus einem aufwendigen Bildband, und der Frieden und die Schönheit hätten mich eigentlich überwältigen müssen. Doch ich fühlte mich nur leer und verloren.
     
    Nach dem Frühstück kam Monica. Während mir die Aufgabe schier unmöglich erschien, ging sie ganz praktisch und planvoll an die Sache heran.
    »Soll ich Ihnen das große Schlafzimmer herrichten?«, fragte sie, als sie ein Dutzend Eier und ein Päckchen Speck, um den ich nicht gebeten hatte, in den Kühlschrank räumte.
    »Nein, ich werde in dem schlafen, das dem Badezimmer am nächsten ist.«
    »Das große Schlafzimmer ist aber so schön und sonnig.«
    »Wissen Sie was? Sie könnten ausprobieren, ob einer dieser Schlüssel zu dem Häuschen hinter der Koppel

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