Bücher online kostenlos Kostenlos Online Lesen
Der Wind der Erinnerung

Der Wind der Erinnerung

Titel: Der Wind der Erinnerung Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Kimberley Wilkins
Vom Netzwerk:
»Jeden Samstagmorgen von zehn bis zwölf. Das ist ein Flyer für die Vorstellung, die sie in ein paar Monaten geben wollen.«
    »Wann holen Sie mich ab?«
    Er zögerte, wollte aber auch, dass ich ihn begleitete. »Wenn Sie darauf bestehen …«
    »Das tue ich.«
    »Dann gegen acht. So haben wir genügend Zeit, um unterwegs Pausen einzulegen und in Hobart einen Kaffee zu trinken.«
    »Wunderbar. Prima.«
    Er wartete kurz. »Sind Sie sicher?«
    »Ja«, antwortete ich rasch und fragte mich, worauf ich mich da eingelassen hatte. »Ich bin mir sicher.«
     
    Da ich keine CDs hatte, verlegte ich mich aufs Radiohören. Ich hatte einen klassischen Sender gefunden, der abends Jazz spielte. Ich goss mir ein Glas Wein ein und machte es mir mit einem Karton gemütlich. Er war sehr alt, die Pappe fiel förmlich auseinander. Darin befanden sich uralte Geschäftsbücher der Farm. Dünne Schulhefte mit vergilbten Seiten, alle fein säuberlich mit Tinte beschrieben. Ich bemühte mich, die Transaktionen nachzuvollziehen, war mir aber nicht sicher, was sie zu bedeuten hatten. Ich erkannte in den Spalten Beatties Handschrift, aber auch noch eine andere. Nicht so ordentlich wie ihre, vermutlich eine Männerhandschrift. Aber von wem?
    Ich gab mir einen Ruck. Meine Phantasie ging mit mir durch. Sie hatte schließlich nicht die ganze Farm alleine geführt, sicher hatte sie Angestellte gehabt.
    Ich dachte an die Frau vom Heimatverein. Ob sie etwas damit anfangen könnte? Möglicherweise verstand sie mehr davon. Es wäre schade, die Hefte einfach wegzuwerfen, andererseits wollte ich mich nicht unbedingt mit diesem Verein einlassen. Ich wollte keine Besucher haben.
    Dann entdeckte ich eine Mappe, die mit einem roten Band verschnürt war. Darin befanden sich Dutzende Kaufverträge. Gegenstände wie Möbel und Schafe waren gekauft und verkauft worden. Auch ein Stück Land, das Beattie 1934 veräußert hatte. Und ganz unten befand sich der Vertrag für Wildflower Hill selbst.
    November 1934 : Übertragung durch Raphael William James Blanchard auf Beatrice Alison Blaxland. Für die Summe von null Pfund.
    Ich betrachtete das Dokument lange. Jemand namens Raphael William James Blanchard hatte Grandma Wildflower Hill
geschenkt.
Aber das konnte nicht stimmen. Mum hatte mir etwas anderes erzählt. Die Farm war heruntergewirtschaftet gewesen und hatte während der Depression Verlust gemacht. Beattie hatte eine kleine Summe von einem alten Onkel geerbt und sich das restliche Geld von der Bank geliehen. In den ersten Jahren hatte sie furchtbar mit den Rückzahlungen zu kämpfen gehabt.
    Es drängte mich, Mum anzurufen und sie nach Raphael Blanchard zu fragen. Aber ich dachte an das Foto und wusste, ich musste vorsichtig sein. Mum wurde von Dramen angezogen wie Ameisen von Honig. Außerdem gab es andere Möglichkeiten, um herauszufinden, wer er gewesen war.
    Ich wartete ab, bis es in London Frühstückszeit war. Mittlerweile war ich davon überzeugt, dass Raphael Blanchard der Mann auf dem Foto war, dass sie ein uneheliches Kind gehabt hatten und er Beattie die Farm geschenkt hatte, um sich ihr Schweigen zu sichern … Das alles passte natürlich gar nicht zu dem, was ich über Grandma wusste, aber je mehr Wein ich trank, desto logischer kam es mir vor.
    Ich rief Adelaide an.
    »Habe ich dich geweckt?«
    »Nein.« Sie gähnte. »Hm … doch, schon. Jetzt, wo du nicht mehr mein Boss bist, muss ich nicht mehr lügen, oder?«
    »Tut mir leid. Ich brauche deine Hilfe. Ich suche Informationen über einen Mann namens Raphael Blanchard, habe aber keinen Internetanschluss. Kannst du ihn mal für mich googeln?«
    »Ist er ein Tänzer?« Sie gähnte erneut.
    »Nein. Warum bist du so müde?«
    »Der fliegende Faschist hat gestern Abend eine Party gegeben.«
    »Und du warst eingeladen?«
    »Ich habe die Häppchen gereicht. Sekunde, ich setze mich gerade an den Computer. Wie heißt der Mann?«
    Ich buchstabierte den Namen und hörte das Klicken der Tasten.
    »In Ordnung. Welchen meinst du?«
    »Welchen?«
    »Raphael Blanchard den Ersten, den Zweiten oder den Dritten? Niederer Adel.«
    Adel? »Aus England?«
    »Ja.«
    »Ich suche den, der in den Dreißigerjahren in Australien gewesen sein könnte.«
    Sie tippte und gähnte.
    »Das ist der Erste. Er lebte von 1930 bis 1934 in Australien, in Tasmanien, wie es aussieht. Recherchiere ich etwa von London aus Lokalgeschichte für dich? Ich hoffe, du weißt die Ironie zu schätzen.«
    »Gibt es ein Foto von ihm?«
    »Klar

Weitere Kostenlose Bücher