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Der Wind über den Klippen

Der Wind über den Klippen

Titel: Der Wind über den Klippen Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Leena Lehtolainen
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Schulfreund Mikko schwor, der Fahrer, der ebenfalls dieselbe Schule besucht hatte, sei nüchtern.
    Der dritte Mann, Tuomo Haaranen, gefiel Riikka nicht. Er war groß, stark behaart und tätowiert. Seine Augen verrieten, dass er nicht nur vom Alkohol berauscht war. Aber Riikka hatte fünf Zitronengrappa getrunken und war wahnsinnig müde. Auf dem nachts wie ausgestorbenen Westring dauerte die Fahrt nur zwanzig Minuten. Sie nahm das Angebot an.
    Tuomo Haaranen setzte sich neben sie auf die Rückbank des Mitsubishi. Sie ärgerte sich, weil er im Auto rauchte, und bat ihn, die Zigarette aus dem Fenster zu werfen. Er lachte überheblich und erklärte, hier diktiere er die Regeln. Da bekam sie es mit der Angst zu tun.
    An der Abfahrt Matinkylä beschwerte sich Tuomo, er hätte seinen Samstagsfick noch nicht gehabt. Er fragte Riikka, ob sie Lust hätte, und fing an, ihre Brüste zu betatschen. Sie versuchte ihn wegzustoßen, doch er ließ sich nicht beirren, und die beiden Männer auf dem Vordersitz griffen nicht ein. Als sie auf die Kivenlahdentie abbogen, bat Riikka den Fahrer anzuhalten, doch Tuomo rief, es ginge weiter zum Hafen. Er fand Riikkas Widerstand erregend.
    Sie wunderte sich, dass Mikko und der Fahrer ihn gewähren ließen. Wie sie später erfuhr, war er Ecstasy-Dealer, und die beiden anderen schuldeten ihm 2000 Finnmark. Tuomo war für seine rabiaten Methoden berüchtigt. Erst vor einigen Wochen hatte er einem zahlungsunfähigen Abnehmer eine brennende Zigarette ins Auge gedrückt.
    Als der Fahrer an der nächsten Kreuzung das Tempo drosselte, sprang Riikka aus dem Wagen, lief jedoch in ihrer Angst in die falsche Richtung. Im April war die Gegend um vier Uhr nachts dunkel und verlassen. Es nieselte leicht, nur vereinzelte Vögel sangen.
    Tapio Holma war auf dem Weg zur Halbinsel Porkkala, wo er bei Sonnenaufgang Zugvögel beobachten wollte. Nachdem er bei Sammalvuori beinahe einen Hasen überrollt hätte, fuhr er nun besonders vorsichtig. Als seine Scheinwerfer die junge Frau erfassten, die auf der Querstraße vor einem großen Kerl davon-rannte, war ihm sofort klar, dass etwas nicht stimmte. Er bog ab und fuhr der Frau entgegen. Tuomo hatte Riikka beinahe eingeholt, als sie im Licht der Scheinwerfer beide stehen blieben.
    »Was ist los?«, rief Holma und stieg aus.
    »Bloß ein kleiner Streit mit meiner Freundin«, antwortete Tuomo gelassen.
    »Ich hab den Kerl noch nie gesehen! Der will mich vergewal-tigen!«, kreischte Riikka und warf sich Tapio Holma buchstäblich in die Arme.
    Holma betrachtete den zwanzig Jahre jüngeren und fünfzehn Zentimeter größeren Mann und forderte ihn auf zu verschwinden.
    »Verpiss dich lieber selbst, du Gartenzwerg!«, brüllte Tuomo.
    Da nahm Holma das Stativ seines Fernrohrs aus dem Wagen.
    Er hatte in den Metropolen der Welt gelernt, blitzschnell abzuschätzen, ob es sinnvoll war, sich zu verteidigen, oder ob man besser daran tat, einem messerschwingenden Junkie widerstandslos die Geldbörse auszuhändigen. In der Dunkelheit konnte Tuomo nicht erkennen, was der andere in der Hand hielt, aber er war Realist. Seinen Samstagsfick musste er in den Wind schreiben, also war es das Vernünftigste zu verschwinden.
    Fluchend trollte er sich zu seinen Kumpel. Holma beruhigte die schluchzende Riikka, brachte sie nach Hause und ermahnte sie, Anzeige zu erstatten.
    Am nächsten Tag rief er an und fragte, wie es ihr gehe.
    Schließlich meldeten sie sich gemeinsam bei der Polizei und wurden beide vernommen, Riikka als Klägerin und Holma als Zeuge. Tuomo Haaranen wurde der versuchten Vergewaltigung angeklagt.
    Ich rief die Prozessdaten auf: Der Fall war im Juni zur Verhandlung gekommen. Weder Riikka noch Tapio Holma hatte vor Gericht aussagen müssen. Haaranen hatte nur eine lächerliche Geldbuße erhalten, saß aber zur Zeit eine sechsmonatige Haftstrafe wegen Drogenhandel und einem früheren tätlichen Angriff ab.
    So war Tapio Holma also Riikkas Held geworden. Schade, dass die Vernehmungsprotokolle nichts über die weitere Entwicklung der Beziehung aussagten. Allmählich verstand ich, wieso sich Riikka in Tapio verliebt hatte. Im Alltag war er ein ganz gewöhnlicher, recht kleiner, breitschultriger Mann, aber auf der Bühne verwandelte er sich. Als Posa hatte er auch mich beeindruckt, sowohl mit dem tragischen Pathos des fanatischen Helden als auch mit seinem glanzvollen Äußeren, das nicht einmal der alberne Spitzenkragen beeinträchtigen konnte.
    Vielleicht hatte auch Riikka ihn

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