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Der Wind über den Klippen

Der Wind über den Klippen

Titel: Der Wind über den Klippen Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Leena Lehtolainen
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nicht, und ich hatte keine Lust, ihn auf Tennisreisen nach Portugal zu begleiten. Das machte aber nichts, denn wir waren seit unserer Heirat praktisch immer vierundzwanzig Stunden am Tag zusammen gewesen, in der Firma und zu Hause. Es war gut, dass unsere Beziehung sich lockerte.«
    »Betraf das auch euer sexuelles Verhältnis?«
    Anne antwortete nicht, ich merkte, dass sie wieder mit dem Azurit spielte.
    »Hattet ihr andere Partner?«
    »Ich nicht«, sagte sie langsam. »Von Juha weiß ich es nicht.
    Auf seinen Reisen oder wenn er Geschäftspartner ausführte waren wohl Frauen dabei, aber ich glaube nicht, dass er eine Freundin hatte.«
    Konnte Annes gleichgültige Unwissenheit echt sein? Sie sah mir offenbar an, wie skeptisch ich war, denn sie fügte hinzu:
    »Ich habe Juha geliebt, das will ich klarstellen. Wir hatten einfach unterschiedliche Bedürfnisse. In den ersten zehn Jahren unserer Ehe hätte mich der bloße Gedanke, Juha könnte mit anderen Frauen zusammen sein, tief verletzt. Aber allmählich hat sich meine Einstellung geändert. Man kann einen anderen Menschen nicht besitzen, weder seelisch noch körperlich. Jede Bindung muss freiwillig sein, in jeder Hinsicht.«
    Mit professionellem Zynismus dachte ich, dass ihr natürlich daran gelegen sein musste, die Polizei glauben zu lassen, die Seitensprünge ihres Mannes hätten ihr nichts ausgemacht.
    Zumindest schaltete sie damit ein eventuelles Mordmotiv aus.
    Ich stand auf und trat nun meinerseits ans Fenster. Wenn ich von meinem Büro nur auch so eine Aussicht über die Felder gehabt hätte statt auf die Autobahn! Und zu Hause blickten die Merivaaras aufs Meer. Koivu hatte mir von dem Panoramafens-ter im Wohnzimmer erzählt, das er mit Verbitterung zur Kenntnis genommen hatte. Er selbst sah von seiner Wohnung aus nämlich nur die Nachbarhäuser und eine einzige Kiefer, die man beim Bau des Wohnblocks stehen gelassen hatte. Meist zog er die Jalousien den ganzen Tag nicht hoch.
    »Anne, bei einem Kapitalverbrechen ist es eine Riesendumm-heit, Informationen zurückzuhalten. Schlimmstenfalls führt das sogar zu einer Anklage wegen Beihilfe«, sagte ich ruhig, dann wechselte ich das Thema. »Ich möchte möglichst bald mit Jiri reden. Ist er heute nach der Schule zu Hause?«
    »Jiri weiß nichts!« Zum ersten Mal geriet ihre Stimme ins Schwanken. »Außerdem will er gleich nach dem Unterricht zu irgendeiner Demonstration.«
    Sicher zur gleichen wie Antti und Iida, dachte ich belustigt.
    »Wie kommt Jiri in der Schule zurecht?«
    »An sich gut, nur streitet er sich immer mit den Lehrern, denen es nicht gefällt, dass er ihren Unterricht kritisiert. Aber er muss schon bis zum Abitur durchhalten, er will nämlich unbedingt studieren. Er hat vor, wissenschaftlich nachzuweisen, dass die moderne Konsumgesellschaft unhaltbar ist.«
    »Aha.« Vielleicht hatte sich Jiri die Lehren seines Vaters über den richtigen Weg, die Entwicklung zu beeinflussen, doch zu Herzen genommen. Plötzlich ging mir auf, dass ich das Gespräch mit Anne Merivaara abbrechen musste, wenn ich noch mit Paula Saarnio, ihrer Sekretärin, reden wollte, bevor ich wegen einer sinnlosen Besprechung über die Organisationsentwicklung ins Präsidium zurückmusste. Aus Anne hatte ich eigentlich nichts herausbekommen, schien mir. Ich nahm noch einen Keks, denn zum Mittagessen würde mir keine Zeit bleiben, obwohl ich Hunger hatte. Am Abend würde ich unbedingt joggen müssen, damit mir nicht der Kopf platzte.
    »Dein Mann war vor sechs Jahren in einen Bootsunfall mit tödlichem Ausgang verwickelt«, sagte ich und stand auf. »Hat ihm das zu schaffen gemacht?«
    Als ich von dem Unfall erfuhr, war ich ganz aufgeregt gewesen, doch bei genauer Durchsicht der Vernehmungsprotokolle hatte ich gesehen, dass gegen Juha Merivaara keine Anklage erhoben worden war. 1991 lag die Grenze für Trunkenheit auf See bei eins Komma fünf Promille, zudem hätte der Motorboot-fahrer, ein gewisser Aaro Koponen, dem Segelboot laut Seefahrtsordnung ausweichen müssen. Am Unfallort hatte dichter Nebel geherrscht, und Koponen hatte mehr als zwei Promille Alkohol im Blut gehabt. Aufgrund der Aussage von Juha Merivaara war man zu dem Schluss gekommen, dass der betrunkene Koponen das Segelboot, auf dem Juha mit Geschäftsfreunden unterwegs war, nicht gesehen hatte.
    Anne sah mich an, als wüsste sie nicht, wovon ich sprach.
    »Ach, das«, sagte sie schließlich. »Ich hatte die ganze Sache schon vergessen. Juha konnte nichts dafür,

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