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Der Wind über den Klippen

Der Wind über den Klippen

Titel: Der Wind über den Klippen Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Leena Lehtolainen
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unsolidarisch, über die Privatangelegenheiten meiner Chefs zu tratschen«, wies sie mich kühl zurecht.
    »Das verstehe ich, aber wir untersuchen den Mord an Ihrem Arbeitgeber. Sie wollen doch sicher, dass der Täter zur Verantwortung gezogen wird.«
    Sie überlegte eine Weile und sagte dann, sie glaube, Anna habe von Juhas gelegentlichen Eskapaden gewusst. In den letzten Jahren schienen die beiden in getrennten Welten gelebt zu haben. Die Zusammenarbeit im Betrieb hatte zwar funktioniert, aber die Freizeit und den Urlaub hatten sie weitgehend separat verbracht. Anne hatte ursprünglich großes Interesse für Rödskär gehabt, doch seit Harris Tod war ihre Liebe zu der Insel abgekühlt.
    »Anne betont gern die ethischen und ideellen Aspekte der Unternehmenstätigkeit, während für Juha letzten Endes alles Business war. Und so soll es ja auch sein, mit Idealen allein macht man keinen Profit«, sagte Paula Saarnio. »Juhas Tod kommt zweifellos im ungünstigsten Moment. Der Export nach Deutschland und Dänemark läuft gut, und der einheimische Markt hat sich auch endlich von der Rezession erholt. Aber ohne starke Unternehmensleitung geht es nicht, und Anne hat nicht das Zeug dazu. Wahrscheinlich muss die Firma verkauft werden, was nicht schwierig sein dürfte. Zwei große Farbfabri-ken und eine schwedische Bootsfirma haben schon vor längerer Zeit Kaufangebote vorgelegt.«
    Ich musste Kantelinen fragen, was für ein Verkaufserlös zu erwarten war. Auf jeden Fall würden Riikka und Jiri reich werden. Ob Jiri das geerbte Geld der »Revolution der Tiere«
    spenden würde?
    Am Nachmittag quälte ich mich durch die Besprechung über die Organisationsentwicklung. Zum Glück saß Taskinen neben mir und langweilte sich nicht weniger als ich. Ich steckte ihm alberne Briefchen zu, die er zu meiner Überraschung im selben Stil beantwortete. Die Besprechung war völlig sinnlos, da das Geld nicht einmal reichte, um alle bisherigen Stellen zu besetzen.
    Auf dem Weg in mein Büro klopfte ich bei Ström an. Sein unverständliches Brummen interpretierte ich als »Herein«. Er wühlte gerade in einer Schreibtischschublade.
    »Wie kommst du mit dem Raubüberfall in Mankkaa voran?
    Brauchst du Puupponen dafür?«
    Ström richtete sich langsam auf, er schien nicht gleich zu begreifen, wovon ich sprach.
    »Ich hab den Zeugen noch nicht erreicht. Vielleicht sollte ich ihn früh um sechs von einer Streife abholen lassen, der geht nämlich nie ans Telefon.«
    »Was macht dein Rücken?« Ich trat näher, Ström wandte das Gesicht ab und steckte sich eine Zigarette an.
    »Tut immer noch weh. Vor allem im Sitzen.«
    Er machte den ersten Zug und stieß den Rauch aus. Der Qualm stieg mir in die Nase, aber da war noch etwas: Sein Atem roch nach Schnaps.
    Sieben
    Kurz nach fünf kam ich nach Hause, aß eine Banane und zog die Joggingsachen an. Antti und Iida waren noch nicht da, aber Einstein, unser Kater, strich mir liebebedürftig um die Beine.
    Ich machte ein paar Dehnungsübungen, um die verspannten Schultermuskeln zu lockern. Dann lief ich los. Nach einigen hundert Metern bewegten sich meine Beine wie von selbst, in der feuchten Herbstluft atmete es sich leicht. Ich versuchte, nicht an die Arbeit zu denken, doch zwei Dinge gingen mir nicht aus dem Kopf.
    Der Besuch bei der Merivaara AG war fruchtlos gewesen.
    Pertsa trank im Dienst.
    Ich hatte es ihm auf den Kopf zugesagt, doch er hatte es abge-stritten. Daraufhin hatte ich ihn gebeten, die unterste Schreibtischschublade aufzuziehen. Er hatte gekontert, deren Inhalt gehe mich nichts an. Da ich es eilig hatte, zur nächsten Besprechung zu kommen, hatte ich die Sache zunächst auf sich beruhen lassen.
    Doch ich würde bald darauf zurückkommen müssen. Als Dezernatsleiterin durfte ich mich nicht vor der Verantwortung drücken, die dieser Posten mit sich brachte.
    Einerseits war ich mir sicher, dass Ström auch deshalb im Dienst trank, weil er testen wollte, ob ich den Mumm hatte einzuschreiten. Andererseits glaubte ich, dass er echte Probleme hatte, mit dem Alkohol wie mit dem Leben. Er mochte sich einreden, alles wäre in Ordnung, wenn nicht ich, sondern er zum Dezernatsleiter gewählt worden wäre, doch das stimmte einfach nicht. Was ihm in den letzten Jahren alles zugesetzt hatte, wusste ich nicht. Überhaupt gab er mir Rätsel auf. Mit seiner offenen Feindseligkeit konnte ich umgehen, aber seine gelegentlichen Anfälle von Freundlichkeit brachten mich aus dem Konzept.
    Ich schlug den

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