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Der Wind über den Klippen

Der Wind über den Klippen

Titel: Der Wind über den Klippen Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Leena Lehtolainen
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Geschwindigkeit über die Espoontie rasten.
    »Stimmt. Wir hatten mit dem Fall nichts zu tun, weil es nur um Sachbeschädigung ging. Aber Brandstiftung ist natürlich was anderes.« Puupponen schüttelte den Kopf. Dieses eine Mal hatte er keinen Witz parat.
    Der eigentliche Schlachthof befand sich nicht in Kauklahti, hier wurde das Fleisch lediglich weiterverarbeitet. Geschlachtet wurde im Hauptbetrieb in Kirkkonummi. Leberwurst, Knack-wurst und Räucherbraten von Malinen waren Delikatessen und um einiges teurer als die üblichen Massenprodukte. Im Vorjahr war das Unternehmen von der Espooer Handelskammer ausgezeichnet worden. Daran erinnerte ich mich, weil in diesem Jahr die Merivaara AG den gleichen Preis erhalten hatte und in dem Zusammenhang auch die früheren Preisträger erwähnt worden waren.
    Der Westwind hatte den rotbraunen Rauch weit über die Felder rund um Kauklahti getrieben, der Geruch von verbranntem Fleisch drang durch die Wagenfenster. Die Schlächterei lag in dem Industriegelände, das südlich des Bahnhofs entstanden war. Ich zog rücksichtslos an den Autos vorbei, die sich in Höhe des Bahnhofs stauten. Wir waren mit meinem Dienstwagen unterwegs, einem dunkelblauen Saab, der nicht als Polizeifahrzeug gekennzeichnet war, doch das Blaulicht auf dem Dach veranlasste die anderen Fahrer, uns gehorsam Platz zu machen.
    Das Erste, was ich durch den Rauch sah, waren unzählige Feuerwehrautos. Offenbar hatte man aus Helsinki und Vantaa Hilfe angefordert. Die Fleischfabrik stand in hellen Flammen, und auch die Nachbargebäude waren gefährdet. Oben kreisten zwei Hubschrauber des Rettungsdienstes.
    »Wenn es nicht unbedingt sein muss, lassen wir uns lieber nicht einräuchern. Wir informieren uns erst mal per Telefon«, schlug ich vor. Im selben Moment fuhr ein Krankenwagen, der bisher im Hintergrund gewartet hatte, auf das brennende Gebäude zu. Ich sah durch den Rauch hindurch, wie die Tragen bereitgestellt wurden. Zwei Feuerwehrmänner mit Atemschutz führten eine graue menschliche Gestalt beim Hintereingang hinaus. Während Puupponen am Funkgerät die Frequenz suchte, schaute ich mich um und erblickte hinter der Absperrung auf dem Acker südlich der Fabrik eine Gruppe von Menschen, bei denen es sich nicht um die üblichen Schaulustigen zu handeln schien. Sie hielten Schilder in den Händen, deren Aufschrift ich nicht entziffern konnte. Also kramte ich im Handschuhfach nach dem Fernglas.
    Was ich zu lesen bekam, überraschte mich nicht sonderlich.
    »Fleischverzehr ist Mord – Revolution der Tiere«, »Schlachtet die Schlächter« und so weiter. Es waren etwa zwanzig Leute, unter denen ich ein paar Mädchen erkannte, die an der Demonstration gegen McDonald’s teilgenommen hatten. Auch den vertrauten grünen Haarschopf glaubte ich zu sehen. Die radikalen Tierschützer standen reglos da, sie schienen geradezu auf ihre Verhaftung zu warten. Ich sah, dass einer von ihnen eine afrikanische Trommel schlug, doch der Lärm der Hubschrauber übertönte alles.
    Mit heulenden Sirenen fuhr der Krankenwagen davon, und im selben Moment erwachte das Funkgerät zum Leben: Die Brandursache stand noch nicht fest. Allem Anschein nach war jedoch rund um das Gebäude Benzin ausgegossen worden, denn das Feuer hatte sich rasend schnell ausgebreitet. Zwei Mitarbeiter waren immer noch in der Kühlkammer eingeschlossen, wo die Rinder- und Schweinehälften vom Schlachthof Kirkkonummi gelagert wurden. Hinter den dicken Stahlwänden waren sie zwar vorläufig vor den Flammen geschützt, doch da man die Klimaanlage nicht abschalten konnte, drohte ihnen eine Rauchvergiftung. Der Lagerarbeiter, der gerade abtransportiert worden war, hatte Brandwunden zweiten Grades erlitten und Rauch eingeatmet, schwebte jedoch nicht in Lebensgefahr.
    »Ich habe damals überlegt, zur Feuerwehr zu gehen statt auf die Polizeischule«, sagte Puupponen plötzlich, »aber irgendwer hat behauptet, Feuerwehrleute würden den ganzen Tag nur Karten spielen und auf den nächsten Einsatz warten. Das war nicht das Richtige für mich. Wäre es auch jetzt nicht, mir wird nämlich schlecht von dem Gestank.«
    Puupponen war blasser als sonst, was sein karottenrotes Haar noch greller wirken ließ.
    »Wir haben keine Gasmasken im Wagen, aber ich hol uns welche von den Schupos. Warte hier auf mich.«
    Als ich ausstieg, überfiel mich der beißende Geruch wie ein Bremsenschwarm. Ich holte tief Luft und ging auf eine Gruppe von Leuten zu, unter denen ich den Chef des

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