Der Wind über den Klippen
beteiligt gewesen zu sein, der im schlimmsten Fall Menschenleben fordern kann. Würde mir bitte einer von euch erklären, wieso ihr gerade in dem Moment vor der Fleischfabrik demonstriert habt, als dort das Feuer ausgebrochen ist?«
Keine Antwort. Ich ließ die Augen über die verschlossenen Gesichter der jungen Leute wandern, die vorwiegend auf den Fußboden starrten. Nur eins der Mädchen erwiderte meinen Blick.
»Wir können euch mindestens achtundvierzig Stunden festhalten. Brandstiftung ist ein schweres Delikt, das heißt, wir dürfen Verdächtige auch verhaften. Wenn ihr nicht vorhabt, die nächsten Wochen in den Haftzellen der Espooer Polizei zu verbringen, empfehle ich euch, mit uns zusammenzuarbeiten.«
»Das schmink dir mal gleich ab, Bulle!«, brummte einer der Jungen, und der Trommler schlug ein spöttisches Tremolo. Mein Handy klingelte. Ich wollte es schon ausschalten, doch eine plötzliche Eingebung veranlasste mich zu antworten. Der Anrufer war ein Beamter des Rettungsdienstes, der mir mitteilte, dass die Fleischer gerettet werden konnten und das Feuer unter Kontrolle war. Wortlos hörte ich ihm zu und merkte erst nach dem Auflegen, wie unglaublich wütend ich war. Ich schaute wieder zu den RdT-Leuten auf und trat gegen den Tisch, um überhaupt sprechen zu können.
»Wer auch immer die Fleischfabrik angezündet hat, war verdammt nah daran, zum Mörder zu werden. Die Schuldigen können froh sein, dass die bewusstlosen Fleischer im letzten Moment gerettet werden konnten. Man muss doch, Himmeldon-nerwetter, Einfluss nehmen können, ohne Menschen umzubringen!«
Ich trat wieder gegen den Tisch, ein Lehmklumpen löste sich von meinem Schuh und flog einer ganz vorn sitzenden Demonstrantin ins Gesicht. Die Gruppe begann empört zu zischen.
»Entschuldigung, das war keine Absicht«, sagte ich zu dem Mädchen, das sich das Gesicht abwischte, und bemühte mich, die Fassung wiederzugewinnen.
»Die Schlachterei Malinen ermordet unschuldige Tiere! Deren Leben ist genauso wertvoll wie das von Menschen«, erklärte das glatzköpfige Mädchen, das am heftigsten Widerstand geleistet hatte.
»Hier ist weder Zeit noch Ort für eine Diskussion über den Wert des Lebens. Laut finnischer Gesetzgebung ist es nicht verboten, Tiere zu schlachten, einen Menschen zu töten ist dagegen ein Verbrechen, also …«
»Das Gesetz ist falsch!«, rief ein Mädchen, das neben Jiri Merivaara saß.
»Welches meinst du? Das eine, das verbietet, Menschen zu töten, oder das andere, das erlaubt, Tiere zu schlachten? Ich hoffe sehr, du beziehst dich auf das letztere«, sagte ich.
»Warum seid ihr ständig hinter uns her? Warum jagt ihr nicht diejenigen, die bei uns in der Schule Ecstasy verkaufen?«, fragte ein Mädchen mit Engelslocken, dessen roter Pullover bis an die schwarzen Gummistiefel reichte.
»Die Drogenfahnder nehmen entsprechende Hinweise gern entgegen. Ihr könnt das bei der Vernehmung zur Sprache bringen. Die Eltern der unter Fünfzehnjährigen sind benachrichtigt worden, wer älter ist, kann dem vernehmenden Beamten mitteilen, wer über seine Festnahme informiert werden soll. Ihr habt das Recht, einen Anwalt hinzuzuziehen, wenn ihr das möchtet. Hat einer von euch zu diesem Zeitpunkt etwas zur Brandursache zu sagen?«, fragte ich, ohne mit einer Antwort zu rechnen. Die Kontrolle innerhalb der Gruppe war streng, wir würden höchstens bei den Einzelvernehmungen etwas erfahren.
Da ging die Tür zum Seminarraum auf, und zu meiner Überraschung schaute Taskinen herein.
»Entschuldige die Störung. Kannst du einen Moment heraus-kommen, Maria?«, fragte er förmlich. Als ich auf den Gang trat, sah ich dort auch den Polizeipräsidenten stehen, der sofort das Wort ergriff.
»Du hast hoffentlich noch nicht mit den Vernehmungen angefangen?«
»Nein. Ich habe mich zu einer kleinen Moralpredigt hinreißen lassen«, gestand ich, nun schon leicht verlegen.
»Die Ermittlungen werden von unserer Seite eingestellt. Die Sicherheitspolizei und das Kriminalamt übernehmen den Fall«, erklärte Taskinen. Es war ihm am Gesicht abzulesen, wie sehr er sich vor meiner Reaktion fürchtete.
»Was soll das denn?«
»Die haben seit einem halben Jahr eine Sonderkommission, die sich mit radikalen Umweltschützern beschäftigt. Die Brandstiftung wird von dieser Soko bearbeitet. Die Sicherheitspolizei ist davon überzeugt, dass die Revolution der Tiere vom Ausland her gesteuert wird«, sagte unser neuer Polizeipräsident.
Er war der
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