Der Wind über den Klippen
Verdacht verhaftet worden, den Schlüssel zur Fleischfabrik gestohlen und damit Beihilfe zur Brandstiftung geleistet zu haben.
Ich musste geschickt lavieren, um nicht zu viele Details über meinen eigenen Fall preiszugeben. Ich wollte nicht, dass die Sicherheitspolizei die Ermittlungen an sich riss, denn die Verbindung zur Revolution der Tiere war bisher reine Spekula-tion. Ob Mikke Sjöberg etwas über Harris Mitgliedschaft in der Organisation wusste?
Über das Bordtelefon erreichte ich ihn nicht, obwohl ich es im Lauf des Vormittags mehrmals versuchte. Bald kam Puupponen mit der Nachricht, der als vermisst gemeldete Mann aus Suvela sei verkatert, aber wohlbehalten in der Wohnung eines Kumpels gefunden worden. Offenbar hatte seine Frau die Sauftouren ihres Mannes so satt, dass sie ihm die Polizei auf den Hals gehetzt hatte.
»Dann übernimmst du jetzt die Körperverletzung in Kivenlahti«, sagte ich zu Puupponen, dessen Nase auf die doppelte Größe angeschwollen war. »Dich hat es ja ganz schön erwischt.«
»Fieber hab ich keins«, schniefte er. »Nur die Scheißnase läuft wie eine Regenrinne.«
Das fehlte uns noch, dass Puupponen ausfällt, dachte ich, während ich versuchte, Kantelinen vom Wirtschaftsdezernat zu erreichen.
»Kallio, Gewalt eins, hallo. Was ist mit dem Bericht über die Finanzlage der Merivaara AG?«
Ich hörte ihn aufstöhnen.
»Du, ich hab’s noch nicht geschafft, mir ist eine Unterschla-gung dazwischengekommen.«
»Ich brauch den Bericht schnellstens, am besten noch heute Vormittag«, sagte ich und versuchte erfolglos, meinen Ärger zu verbergen. »Fehlt denn noch viel?«
»An sich nicht, aber über die Teilhabergesellschaft Mare Nostrum ist kaum etwas zu erfahren. Die Beziehung zwischen den beiden Unternehmen ist überhaupt sehr eigenartig.«
»Inwiefern?«
»Ich muss jetzt zu einer Besprechung, ich ruf dich am Nachmittag an.«
Ich schmetterte den Hörer auf die Gabel und versuchte noch einmal, Mikke Sjöberg zu erreichen. Wieder vergebens. Hatte er sich etwa aus dem Staub gemacht? Ich bat die Beamten, die in Richtung Kaitaa Streife fuhren, im Yachthafen von Suomenoja nachzusehen, ob die »Leanda« noch dort lag, und machte mich auf den Weg zur nächsten Sitzung, der wöchentlichen Dezer-natsleiterkonferenz. Unterwegs klingelte mein Handy: Streife sechs meldete, die »Leanda« liege in Suomenoja vor Anker.
»Sollen wir jemanden festnehmen?«, fragte der Beamte diensteifrig.
»Nein. Ich kümmere mich selbst um die Angelegenheit.«
Noch einmal rief ich Mikke an, wieder erfolglos. Bei der Besprechung ging es ausschließlich um das Feuer in der Fleischfabrik Malinen. Zwar hatte die Sicherheitspolizei den Fall übernommen, doch wir mussten auf weitere Anschläge gefasst sein. Das Pharmaunternehmen Orion hatte in den letzten Wochen anonyme Drohungen erhalten: Man werde in das Labor einbrechen und die Versuchstiere befreien. Nach dem Brand in Kauklahti hatte die Firmenleitung um verstärkte Polizeistreifen gebeten.
»Ich habe ihnen geraten, sich an eine Wach- und Schließgesellschaft zu wenden«, erklärte Taskinen gelassen. »Wir können leider nicht überall sein. Die Schutzpolizei ist informiert, und das Begeka stellt eine Liste der potenziell gefährdeten Objekte in der Stadt auf.«
»Hör mal, Kallio, wie aktiv ist eigentlich dein Mann an der Tätigkeit dieser Ökoterroristen beteiligt?«, fragte Laine, der Leiter des Begeka, des Dezernats für Berufs- und Gewohnheitskriminalität, aus heiterem Himmel.
»Antti hat mit der Revolution der Tiere nichts zu tun«, sagte ich konsterniert.
»Mit denen vielleicht nicht, aber hat er nicht letzte Woche mit eurem Kind an der Demonstration gegen den Autoverkehr teilgenommen?«
Laines Augenbrauen hoben sich im Rhythmus seiner Worte, das millimeterkurz geschnittene dunkle Haar glänzte in der Sonne.
»Na und?« Ich musste schwer an mich halten, um nicht die Beherrschung zu verlieren.
»Ehepartner von Kommissaren sollten keinen Umgang mit Kriminellen pflegen. Sonst kommen Zweifel an der Unpartei-lichkeit der Polizei auf.«
»Demonstranten sind doch keine Verbrecher! Gilt das Ver-sammlungsrecht etwa nicht für Angehörige von Polizeibeamten?
Ich werde Anttis Freiheiten jedenfalls nicht beschneiden, er schreibt mir ja auch nicht vor, was ich zu denken habe!«
Ich war kurz davor, laut zu werden, und Taskinen lenkte das Gespräch rasch auf ein anderes Thema. Da es im Fall Merivaara keine neuen Entwicklungen gab, befassten wir uns für
Weitere Kostenlose Bücher