Der Wind über den Klippen
aber es stand ja keineswegs fest, dass er sie in der Arbeitszeit geleert hatte.
»Kommissar Ström war während Ihres Mutterschaftsurlaubs stellvertretender Dezernatsleiter. Fiel es ihm schwer, sich danach Ihrer Leitung unterzuordnen?«
Ich sah Suurpää verwundert an.
»Geht es bei dieser Voruntersuchung nicht ausschließlich darum, ob Ström wegen tätlichen Angriffs angeklagt wird?«
Suurpää hatte die Hände gefaltet und ließ die Daumen kreisen.
»Ström war offenbar nicht sehr beliebt. Wäre es nicht denkbar, dass einer seiner Kollegen Väätäinen bestochen hat, die Attacke zu provozieren?«
Pertsa, der Schweinehund! Auf diese Weise versuchte er also seine Haut zu retten? Natürlich fragte ich, ob Ström selbst diese Theorie vorgebracht und ob Väätäinen sie bestätigt hatte, und natürlich weigerte sich Suurpää zu antworten. Ich war hier nicht diejenige, die die Fragen stellte.
»Meiner Meinung nach ist das eine lächerliche Behauptung.
Möglicherweise hat Väätäinen Ström absichtlich provoziert, um die Voruntersuchung zu Fall zu bringen, aber niemand aus meinem Dezernat würde mit ihm gemeinsame Sache machen, davon bin ich überzeugt«, sagte ich mit Nachdruck, obwohl ich unwillkürlich an Puupponen denken musste. Er hasste Ström, daran gab es nichts zu deuteln. Aber selbst er hätte es wohl nicht fertig gebracht, sich mit einem Kerl von Väätäinens Schlag zusammenzutun, um gegen Ström zu intrigieren.
Natürlich wusste ich, wem nach allgemeiner Überzeugung am meisten daran lag, Ström loszuwerden: mir. Wenn Pertsa tatsächlich versuchte, mir die Schuld für seinen eigenen Fehler zuzuschieben, sollte er von mir aus zur Hölle fahren. Als ich das Gebäude des Kriminalamts endlich verlassen durfte, war ich so geladen, dass ich mit voller Wucht gegen die Reifen unseres Autos trat. Dann rief ich Ström an. Nach dem siebenten Klingeln legte ich auf, drückte die Wiederholungstaste und ließ es achtmal klingeln. Beim dritten Anruf ging Ström an den Apparat.
»Maria hier. Wie geht’s?« Ich bemühte mich, mir meinen Zorn nicht anmerken zu lassen.
»Scheiße, du hast mich geweckt«, polterte er mit verkaterter Stimme. »Was ist denn so verdammt wichtig?«
»Ich musste deinetwegen zum Kriminalamt. Wen hast du bezichtigt, Väätäinen bestochen zu haben?«
Ich war froh, dass Ström weit weg war und meine vor Wut zitternden Hände nicht sah, die kaum das Handy halten konnten.
»Was zum Teufel redest du da? War das etwa arrangiert?«
»Du behauptest also, du weißt nichts davon?«
»Wovon?« Seine Stimme klang schon wesentlich klarer.
»Worauf willst du hinaus?«
»Vergiss es! Die Holzköpfe vom Kriminalamt spinnen.«
Ich wusste nicht mehr, wem ich glauben sollte.
»Und, hast du mich ordentlich angeschwärzt? Ein Scheißkerl, läuft immer mit geballten Fäusten rum, nur gut, dass wir ihn loswerden, was?« Nun klang seine Stimme wieder so mürrisch, wie ich sie kannte, im Hintergrund hörte ich eine Kühlschrank-tür, dann das Zischen beim Öffnen einer Bierflasche.
»Ich habe gesagt, was passiert ist. Ich hab wahrhaftig genug zu tun, auch ohne diesen Idioten die dummen Ideen meiner Kollegen zu erklären! Hoffentlich wird dein Fall schnell behandelt, damit du bald wieder zur Arbeit kommen kannst.«
»Ach, hör doch auf, Maria! Du weißt genau, dass ich nicht zurückkommen kann«, sagte Ström und legte auf.
Ich rief sofort wieder bei ihm an, hörte aber nur das Besetzt-zeichen. Wahrscheinlich hatte er den Hörer neben die Gabel gelegt. Ich spazierte zum Fluss und setzte mich auf den Rasen, um ein paar weitere Telefonate zu erledigen, während ich auf Koivu wartete.
Diesmal erreichte ich Kantelinen. Er schlug vor, wir sollten uns nach fünf zusammensetzen, das sei in dieser Woche sein einziger freier Termin. Nach kurzem Zögern lehnte ich ab.
Schließlich musste ich auch einmal Zeit für meine Familie haben.
»Wie ist es mit morgen früh? Ich bin bereit, zeitig zu kommen.
Um halb acht?«, schlug ich vor. Kantelinen stöhnte demonstrativ, ließ sich dann aber doch überreden. Puustjärvi, den ich dazubat, war nicht gerade erfreut, da er in Kirckonummi wohnte, würde er schon vor sieben Uhr losfahren müssen. Ich fühlte mich wie eine supergemeine Chefin, und aus irgendeinem Grund erfüllte mich das mit Genugtuung.
Suurpää fragte Koivu vermutlich, ob er mir zutraute, Väätäinen gegen Ström eingespannt zu haben. Bei dem Gedanken wurde ich von neuem wütend und verlor die Lust,
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