Der Windsänger
Saren marschieren wieder«, sagte die alte Dame. »Oh, wie gern sie töten.«
»Töten, töten, töten, töten!«, sang Bowman wie zu einer munteren Melodie – der Melodie, die die Marschkapelle spielte. »Töten, töten, töten!«
Mein liebster Bruder, rief Kestrel, der es das Herz brach, verlass mich jetzt nicht, ich kann ohne dich nicht leben…
Und schließlich tauchten sie aus der Dunkelheit auf. An der Spitze marschierte ein hoch gewachsenes, wunderschönes Mädchen in einer weißen Uniform. Sie wirbelte einen goldenen Stab herum. Ihr langes goldenes Haar fiel ihr offen über die Schultern und umrahmte ihr bezauberndes junges Gesicht. Sie sah nicht älter aus als fünfzehn, und während sie marschierte und ihren Stab wirbelte, lächelte sie. Wie sie lächelte! Ihre weiße Jacke hatte breite Schultern und lag eng an der Taille an, die Knöpfe waren groß und golden. Sie trug schneeweiße Reithosen und blitzblanke schwarze Stiefel. Auf ihrem Kopf saß eine weiße Kappe mit goldener Borte und von ihren Schultern hing ein langer weißer Umhang mit goldenem Futter. Sie blickte geradeaus in die Ferne und lächelte unentwegt, während sie marschierte.
Hinter ihr trat eine Reihe von Musikern in weißen Uniformen aus der Dunkelheit. Auch sie waren jung, Mädchen und Jungen im Alter von dreizehn, vierzehn, fünfzehn Jahren. Jeder von ihnen war wunderschön und jeder lächelte. Sie marschierten im Gleichschritt und spielten dabei ihre Instrumente. Ihnen folgten weitere Musikanten, deren Zug von Trommlern abgeschlossen wurde. Und dann kam singend und lächelnd Glied um Glied die Truppe marschierender junger Soldaten.
Kestrel hörte sie singen und ganz allmählich drang in ihr schockiertes Bewusstsein, was sie da sangen. Diese wunderschönen Jungen und Mädchen, diese Armee weiß und golden gekleideter Jugendlicher, sang dasselbe Lied wie Bowman – das Lied, dessen Text aus nur einem Wort bestand.
»Töten, töten, töten, töten! Töten, töten, töten!«
Der Gesang war kämpferisch, aber dennoch melodisch, und wenn man die Melodie einmal gehört hatte, konnte man sie nicht wieder vergessen.
»Töten, töten, töten, töten! Töten, töten, töten!«
Immer mehr Soldaten marschierten aus der Dunkelheit heran, eine Reihe nach der anderen. Wie viele waren es nur? Der Aufmarsch schien nicht enden zu wollen.
»Meine wunderschönen Saren«, wiederholte die alte Dame. »Jetzt kann sie nichts mehr aufhalten.«
Das Mädchen an der Spitze blieb stehen, marschierte jedoch auf der Stelle weiter. Die Kapelle hinter ihr spielte weiter, trat jetzt aber ebenfalls auf der Stelle. Wie die Soldaten dahinter. Der Gesang verstummte, doch die Musik und das rhythmische Stampfen setzten sich fort, obwohl die riesige Armee jetzt nicht mehr voranschritt. Weit hinten in der Dunkelheit, außerhalb des Lampenscheins, schlossen sich immer mehr Soldaten an. Alle waren jung und schön und lächelten.
Kestrel wich immer weiter zurück, in die Richtung der Flure und des Feuers. Die silberne Stimme hielt sie noch immer fest in der Hand, sie hatte sie jedoch völlig vergessen. Und sie weinte, doch auch das merkte sie nicht. Denn sie schaute nur auf ihren geliebten Bruder. Ihn liebte sie mehr als sich selbst und sein Anblick brach ihr das Herz.
Mein Bruder! Mein Lieber! Komm zurück zu mir!
Doch Bowman war so verwandelt, dass er sie weder hörte noch anschaute. Er stellte sich vor der riesigen Armee auf, schwang sein Schwert durch die Luft und auf seinem Gesicht lag das gleiche schreckliche Lächeln wie auf allen anderen.
Und trotz der Tränen bemerkte Kestrel ein weiteres bekanntes Gesicht, das sich verändert hatte:
Es war Mumpos, der die weißgoldene Uniform der Saren trug und nicht mehr alt und schmutzig, sondern jung und gut aussehend war. Und er lächelte stolz. Während sie ihn ungläubig anschaute, entdeckte er sie und winkte ihr zu.
»Ich hab Freunde, Kess!«, rief er ihr fröhlich zu. »Sieh dir all meine Freunde an!«
»Nein«, kreischte Kestrel. »Nein! Nein! NEIN!«
Doch ihre Schreie gingen unter, als Bowman sein Schwert hoch in die Luft hielt, alle Saren mit einer blitzschnellen Bewegung ihre blanken Schwerter zogen und sich die Armee wieder in Bewegung setzte. Das schöne Mädchen mit dem goldenen Stab marschierte direkt hinter Bowman her, die Musikanten spielten und lächelten in die weite Ferne und die Soldaten stimmten ihren Gesang an.
»Töten, töten, töten, töten! Töten,
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