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Der Windsänger

Titel: Der Windsänger Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: William Nicholson
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stiegen immer tiefer herab und ihrekraftvollen Flügelschläge ließen die Äste der Bäume erzittern. Und drüben im Wald warteten die grauen Wölfe, die stumm auf das Feuertor starrten. 
    Das schöne junge Mädchen kam mit ihrem wirbelnden Stab aus dem Feuer marschiert und die Kapelle folgte ihr. Als die Sarenkolonne in Achterreihen auf den Großen Weg marschierte, stießen die Adler mit lautem Kreischen vom Himmel herab und packten zu. Mit ihren zappelnden, weißgolden uniformierten Opfern in den Klauen schwangen sie sich hoch über die obersten Baumwipfeln empor, wo sie sie fallen ließen. Kein einziger Klagelaut war von den Saren zu hören, kein einziges Mal blickten ihre marschierenden Kameraden auf oder zeigten gar Angst. Immer wieder stießen mehrere Adler gleichzeitig auf das marschierende Heer herab. Doch jedes Loch, das sie in die Reihen rissen, wurde sofort von hinten aufgefüllt und die Saren marschierten ungerührt weiter. Ihre langen Schwerter blitzten tödlich auf und so mancher Adler stieg nach seinem Sturzflug nicht wieder in die Lüfte. Doch entsetzlicher als die Schläge, die die Saren austeilten, war die Gleichgültigkeit, mit der sie auf die Angriffe der Adler reagierten. Nichts konnte ihr Lächeln erschüttern. Niemals gerieten sie aus dem Takt. Und immer mehr von ihnen marschierten aus dem Tunnel – eine unendlich lange weißgoldene Schlange. 
    Allmählich zogen sich die Adler zurück. Nun waren die Wölfe der Reihe. Der alte Wolf hob den Kopf und stieß einen wilden Schrei aus. Sofort kamen die ersten Wölfe zwischen den Bäumen hervor und stürzten sich mit blutrünstigem Geheul auf den Feind. Mit ihren scharfen Zähnen fielen sie die Soldaten an und rissen blutige Löcher in die Kolonne. Doch die langen Schwerter waren schnell und tödlich und keines der Tiere stand wieder auf, um ein zweites Mal anzugreifen. 
    So wütete die Schlacht. Bald kehrten die Adler in den Kampf zurück, bald die Wölfe. Doch stets marschierten neue Reihen von Soldaten auf, die in ihren glänzenden weißgoldenen Uniformen unerschütterlich der Kapelle folgten, über tote Adler und Wölfe und sogar über ihre eigenen gefallenen und verwundeten Kameraden hinweg. 
    Stampf! Stampf! Stampf! 
    »Töten, töten, töten, töten! Töten, töten, töten!« 
    Sie hörten nicht einmal auf zu singen. 
    Bowman betrachtete sie fasziniert und entsetzt zugleich. 
    »Sie marschieren nach Aramanth«, sagte er. Plötzlich drehte er sich zu Kestrel um: »Hast du die Stimme?«, fragte er eindringlich. 
    »Ja, hier.« 
    »Wir müssen los! Wir müssen Aramanth vor ihnen erreichen!« 
    Er wollte sofort loslaufen, doch Kestrel hielt ihn am Arm fest. 
    »Sieh mal! Da ist Mumpo!« 
    Mitten in der Schlacht marschierte Mumpo in blutbespritzter weißgoldener Uniform unter den Saren, er strotzte vor jugendlicher Kraft und lächelte trotz des Gemetzels um ihn herum. 
    »Los!«, schrie Bowman. »Wir müssen gehen!« 
    »Wir können ihn doch nicht im Stich lassen!«, entgegnete Kestrel. 
    Als Mumpo vorbeimarschierte, stürzte sie sich ins Schlachtgetümmel, packte ihn am Arm und zog ihn hinter sich her. Benommen von der Musik und dem Marschieren begriff er zuerst gar nicht, was geschah. 
    »Kess! Sieh dir all meine Freunde an, Kess!« 
    Kestrel und Bowman nahmen Mumpo in die Mitte und liefen mit ihm tiefer in den Wald hinein. Sofort löste sich eine Gruppe Saren von dem Heer und folgte ihnen. 
    Sie rannten, bis sie nicht mehr konnten. Dann redete Kestrel auf Mumpo ein. 
    »Hör zu, Mumpo. Die Saren sind nicht deine Freunde, sie sind deine Feinde. Wir sind deine Freunde. Entweder bleibst du bei ihnen oder bei uns.« 
    Mumpo schaute sie verwirrt an. »Warum können wir nicht alle zusammen sein?« 
    »Verstehst du denn nicht…« In ihrer Hilflosigkeit schüttelte sie ihn beinahe. 
    »Ist schon gut, Kess«, mischte sich Bowman ein. Er nahm Mumpos Hände in seine und sagte leise zu ihm: »Ich kenne dieses Gefühl, Mumpo. Ich hab es selbst auch gespürt. Du glaubst, du bist nicht mehr allein und hast keine Angst mehr. Und nichts kann dir etwas anhaben.« 
    »Ja, genau, Bo.« 
    »Dieses Gefühl können wir dir nicht geben. Aber wir haben zu dir gestanden und du zu uns. Lass uns jetzt nicht im Stich.« 
    Mumpo blickte in Bowmans freundliche Augen und langsam löste sich sein Traum vom Ruhm in Luft auf. 
    »Muss ich dann wieder allein sein und Angst haben, Bo?« 
    »Ja, Mumpo. Ich wünschte, ich könnte dir sagen, dass wir dich

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