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Der Winterpalast

Der Winterpalast

Titel: Der Winterpalast Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Eva Stachniak
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Palästen Eurer Majestät, ein Symbol für Russlands Macht und Größe. Der angemessene Rahmen für die Siegesfeiern, die Russland bald begehen wird.«
    Es folgte ein langes gespanntes Schweigen. Im Gesicht der Kaiserin spiegelte sich ein innerer Kampf zwischen Ruhmbegierde und Ungeduld; ihre Finger krümmten sich wie die Krallen einer Katze.
    Aber dann lächelte sie, und ich wusste, dass der Hof noch lange in seiner provisorischen Unterkunft bleiben würde.
     
    Zu Darjas Namenstag schickte Igor ihr einen Kokoschnik, eine mit winzigen Perlen bestickte Haube. Damit meine kleine dunkeläugige Schönheit noch schöner aussieht , hatte er geschrieben.
    Hart wie ein Helm, dachte ich, als ich ihr zusah, wie sie sich den Kopfputz aufs Haar setzte, das schwarz glänzte wie das ihres Vaters.
    »Nimmst du mich mit zur Kaiserin?«, fragte sie. »Ich würde ihr gern meinen neuen Kokoschnik zeigen.« Sie drehte den Kopf vor dem Spiegel und versuchte, sich von der Seite her zu sehen. Katharina hatte ihr einmal gesagt, sie habe ein griechisches Profil.
    »Wieso glaubst du, dass die Kaiserin sich dafür interessiert?«
    »Sie ist schließlich meine Freundin.«
    »Wer hat das gesagt?«
    »Sie selbst.«
    »Wann?«
    »Als ich im Hof gespielt habe. Sie hat mich gerufen und mir einen Apfel geschenkt. Und sie hat gesagt, ich kann sie besuchen kommen, wenn ich will.«
    »Hat sie es gesagt, oder hast sie gefragt, ob du sie besuchen darfst?«
    Sie verdrehte gereizt die Augen zur Decke. »Ich hab sie nicht gefragt. Ich wollte nur, dass sie es sagt.«
    »Du darfst Ihrer Majestät nicht zur Last fallen, Darja. Die Kaiserin hat keine Zeit, sich mit unwichtigem Kleinkram abzugeben.«
    Sie dachte nach. Einen Moment lang sah ich Zweifel in ihren Augen, aber er war gleich wieder weg. »Papas Geschenk ist kein Kleinkram.«
    »Ja, das stimmt schon, aber du bist nur ein Kind.«
    »Ich bin älter als der kleine Paul, der andauernd schreit.«
    »Du hast auch geschrien, als du ein Baby warst.«
    »Das weiß ich nicht mehr.«
    »Aber ich weiß es.« Ich wünschte, Igor wäre da und würde mir mit seiner Autorität zu Hilfe kommen.
    Die Haube wurde sorgsam in Stoff eingeschlagen und wieder in der Schachtel verstaut. Ich überlegte, wann Darja sie tragen konnte. Nächsten Sonntag vielleicht beim Kirchgang?
    Meine Tochter machte ein finsteres Gesicht. » Du bist nur ein Kind «, murmelte sie. »Wann kommt endlich Papa wieder?«
    »Bald.«
    »Morgen?«
    »Nein, nicht morgen.«
    Sie wandte sich schnell ab, um ihre Tränen zu verbergen, und griff nach meiner Hand, und ich musste plötzlich an die spitz zulaufenden Finger meiner Mutter denken, die meine Hand fassten.
     
    Um den provisorischen Palast für ein weiteres Jahr bewohnbar zu machen, verstärkten Handwerker die dünnsten Wände, zogen hie und da Zwischenwände ein und ersetzten schimmlige Bodendielen.
    Man vernahm viel Murren, als bekannt wurde, dass die Bauarbeiten am Winterpalast nun doch länger dauern würden als vorgesehen, aber ich war froh über alles, was es erleichterte, Katharinas verbotene Liebe geheimzuhalten. Die herrschende Unordnung überall, die Unverbindlichkeit von Plänen, die heute verkündet wurden, um morgen fallengelassen und vielleicht schon übermor
gen wieder aufgenommen zu werden, war mir willkommen. Befehle waren, kaum ausgegeben, schon vergessen. In den Ecken sammelten sich Wollmäuse, halb ausgepackte Koffer standen auf dem Dachboden, die Belegung der Räume wurde oft kurzfristig geändert, weil Reparaturen ausgeführt werden mussten.
    Zwar hatte die Kaiserin den neuen Zeitplan ihres Architekten genehmigt, aber das bedeutete nicht, dass ihre Laune sich besserte. Sie war extrem reizbar, das kleinste Ärgernis konnte einen Wutausbruch auslösen. Sie entließ eine Zofe, die nicht schnell genug Teetassen brachte, ohrfeigte den Friseur, weil er zu lange brauchte, um ihr Locken zu drehen.
    Auch ich bekam ihren Zorn zu spüren, wenn ich nicht sofort ihre ständigen Fragen beantworten konnte. Dann kniff sie mich in den Arm oder schubste mich unwillig weg. »Ist sie immer noch mit Naryschkin zusammen?«
    »Ja, Euer Hoheit.«
    »Sie trifft sich mit ihm bei seiner Schwester?«
    »Ja.«
    »Spekuliert er darauf, dass sie Regentin wird? Dass er dann mitregieren kann, dieser Hanswurst?«
    »Das weiß ich nicht, Majestät.«
    »Dann finde es heraus, dumme Gans. Intrigieren sie gegen mich? Und was treibt dieser britische Verräter? Ist er ihr Komplize? Ich möchte wissen, was sie

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