Der Winterpalast
vorhat.«
Sie warf wütend eine Schnupftabaksdose nach mir,
»Mach schnell! Glaub ja nicht, dass du unersetzlich bist.«
Ich zog alle Register, um Elisabeth zu erheitern und zu besänftigen, erzählte von ordinären Stallburschen, die im Morgengrauen zufrieden grinsend die britische Botschaft verließen, unter der Jacke goldene Teller, davon, dass Sir Charles seinen König verfluchte und sagte, die Briten machten einen Riesenfehler, wenn sie dem Preußen Friedrich den Hintern küssten.
Auf gar keinen Fall durfte die Kaiserin von jenen gefährlichen
Pannen erfahren, von denen mir Katharina so unbekümmert berichtete, als gäbe sie irgendeinen amüsanten Schwank zum Besten. Stanislaw hatte mit ihr eine Schlittenfahrt unternommen. Ein Wachposten in Peterhof hatte sie aufgehalten, und Stanislaw hatte sich für einen Musiker, der im Dienst des Großherzogs stand, ausgegeben. Sie hatte in Männerkleidung daneben gesessen und sich nur mit Mühe das Lachen verbeißen können. Später war ihr Schlitten auf einen Stein gefahren und umgestürzt, Katharina war herausgeschleudert worden. Eine Weile lang hatte sie bewusstlos dagelegen – Stanislaw war außer sich gewesen vor Verzweiflung.
Sie zeigte mir die Schrammen und blauen Flecken an ihrem Brustkorb, die sie sich bei dem Sturz zugezogen hatte. Ich tastete die Stelle ab, voller Angst, dass sie sich eine Rippe gebrochen hatte, aber sie meinte, es sei nichts passiert.
Sie war stark.
Stärker als ich gedacht hatte.
»Ich habe ihn weinen sehen, Warenka«, sagte sie. »Er sagte, er hätte sich umgebracht, wenn ich gestorben wäre, er könne nicht mehr ohne mich leben. Er versprach mir, er würde jedes Opfer bringen, um mich glücklich zu machen.«
Und dann, Ende April, demonstrierte mir Katharinas Hündchen Bijou, wie leicht es war, das ganze Geheimnis auffliegen zu lassen. Stanislaw und Graf Horn, der Gesandte des schwedischen Königs, machten dem Großfürsten im Palast ihre Aufwartung, und natürlich fand Stanislaw anschließend einen Vorwand, auch Katharina einen Besuch abzustatten.
»Ich hoffe, wir kommen nicht allzu ungelegen, Hoheit.« Stanislaw machte eine elegante Verbeugung.
»Aber nein, ich freue mich über Ihren Besuch, meine Herren«, erwiderte Katharina. »Wir hier haben ja kaum je etwas zu tun, was so wichtig wäre, dass wir nicht gestört werden dürften.«
Sie plauderten eine Weile über den letzten Hofball und über
das große Bauprojekt der Kaiserin, das, wie Graf Horn betonte, den schwedischen König mit neidvoller Bewunderung erfüllte.
Während Katharina und ihre Gäste Konversation machten, schweiften meine Gedanken ab zu Darja, die im Zimmer nebenan mit Bijou spielte. Sie stellte in letzter Zeit öfter Fragen, die mich zunehmend beunruhigten. »Was bedeutet dreist ?«, hatte sie etwa gefragt. »Und warum hat Gräfin Schuwalowa gesagt, du bist nur die Tochter eines Buchbinders?« Sie war noch so klein, nicht einmal sieben, und so leicht zu verletzen.
Plötzlich ging die Tür auf, Darja lugte herein, zwischen ihren Beinen rannte Bijou in den Raum, um Stanislaw mit überschwänglicher Freude zu begrüßen. Dann wandte er sich dem schwedischen Gesandten zu, dem einzigen Fremden im Raum, und fing wild zu bellen an.
Graf Horn sagte nichts, aber das dünne Lächeln auf seinen Lippen verriet, dass er das Benehmen des Hündchens wohl zu deuten wusste.
Ich nahm Bijou auf den Arm und brachte ihn und Darja hinaus.
Später erzählte mir Katharina, dass Graf Horn im Gespräch mit Stanislaw bemerkt hatte, wie nützlich doch Bologneser Hündchen seien. Er selbst schenke jeder Frau, in die er sich verliebe, so ein Tierchen. Wenn er den Verdacht habe, dass die Geliebte ihn betrüge, so brauche er nur zu beobachten, wie sich das Hündchen in Gegenwart fraglicher anderer Männer verhielt, und er wisse sofort Bescheid.
Er versicherte, Stanislaw und die Großfürstin könnten sich auf seine Diskretion verlassen, aber das beruhigte weder mich noch Sir Charles. Zu viele Leute kannten das Geheimnis bereits. Bald würde auch Elisabeth dahinterkommen.
»Wenn Stanislaw etwas zustößt«, sagte ich zu Katharina, »werden Sie es sich nie verzeihen.«
Ich machte ihr klar, in welcher Gefahr ihr Liebhaber schwebte. Wenn herauskam, dass er die Großfürstin verführt hatte, konnte nichts ihn vor der Verbannung nach Sibirien bewahren. Er hatte
keinerlei offiziellen Status, der ihn schützte, er war nur irgendein Ausländer, der in Sankt Petersburg als
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