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Der Winterschmied

Der Winterschmied

Titel: Der Winterschmied Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Terry Pratchett
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keine Rolle, was du denkst. Sie werden dir ewig das Leben schwermachen.
    »Ich verbiete euch, meine Briefe zu lesen«, sagte Tiffany. »Und ich verbiete euch auch, in meinem Tagebuch herumzuschnüffeln!«
    »In Ordnung«, sagte Rob Irgendwer.
    »Versprochen?«
    »Oh, ja.«
    »Aber letztes Mal hast du es ebenfalls versprochen!«
    »Ja.«
    »Schwörst du, dass du sonst tot umfallen willst?«
    »Oh, klar, null Problemo.«
    »Und das sagt ein unzuverlässiger, verlogener Dieb, nicht wahr?«, fragte Fräulein Verrat. »Denn schließlich glaubt ihr Größten, bereits tot zu sein, nicht wahr?«
    »Ja, Frau Hexe«, antwortete Rob Irgendwer. »Danke, dass du mich darauf aufmerksam machst.«
    »Du hast überhaupt nicht die Absicht, irgendein Versprechen zu halten, Rob Irgendwer!«
    »Stimmt, Frau Hexe«, sagte Rob Irgendwer stolz. »Jedenfalls nich' so ein kleines, unwichtiges Versprechen. Weißt du, es is' nämlich unsere heilige Pflicht, über die große kleine Hexe zu wachen. Wir müssen unser Leben für sie geben, wenn's sein muss.«
    »Wie wollt ihr euer Leben geben, wenn ihr es bereits verloren habt?«, fragte Fräulein Verrat scharf.
    »Keine leichte Sache, zugegeben«, sagte Rob. »Wahrscheinlich geben wir das Leben all der verdammten Mistkerle, die versuchen, ihr etwas anzutun.«
    Mit einem Seufzer gab Tiffany auf. »Ich bin fast dreizehn. Ich kann selbst auf mich aufpassen.«
    »Hört, hört - das personifizierte Selbstbewusstsein«, sagte Fräulein Verrat, aber es klang nicht sehr gehässig. »Glaubst du wirklich, dass du es allein mit dem Winterschmied aufnehmen kannst?«
    »Was will er denn?«, fragte Tiffany.
    »Das habe ich dir bereits gesagt«, erwiderte Fräulein Verrat. »Vielleicht will er herausfinden, welches Mädchen so dreist war, mit ihm zu tanzen.«
    »Das waren meine Füße! Ich wollte doch gar nicht mit ihm tanzen!«
    Fräulein Verrat drehte sich auf ihrem Stuhl um. Wie viele Augen sie wohl benutzt?, überlegten Tiffanys Zweite Gedanken. Die der Größten? Der Raben? Der Mäuse? Sie alle? Wie viele Tiffanys sieht sie? Benutzt sie auch die Insekten mit ihren zahlreichen glitzernden Augen?
    »Na, dann ist ja alles in Ordnung«, sagte Fräulein Verrat. »Du hast es mal wieder nicht so gewollt. Eine Hexe übernimmt Verantwortung! Hast du denn gar nichts gelernt, Kind?«
    Kind. Ein grässliches Wort für jemanden, der fast dreizehn ist. Tiffany spürte, wie sie erneut rot wurde. Eine furchtbare Hitze breitete sich in ihrem Kopf aus.
    Das war der Grund, warum sie durchs Zimmer ging, die Tür öffnete und nach draußen trat.
    Es schneite ganz sachte. Tiffany sah zu dem blassgrauen  Himmel hoch und beobachtete, wie die flauschigen Flocken in weichen, fedrigen Haufen zu Boden sanken. Es war die Art Schnee, von der die Leute daheim im Kreideland sagten: »Oma Weh schert ihre Schafe.«
    Tiffany spürte, wie die Flocken auf ihrem Haar schmolzen, als sie von der Hütte fortging. Fräulein Verrat stand in der Tür und rief nach ihr, aber sie ging weiter und ließ den schmelzenden Schnee die Hitze in ihrem Gesicht kühlen.
    Natürlich ist das dumm, dachte sie. Aber es ist dumm, eine Hexe zu sein. Warum machen wir das? Es ist harte Arbeit ohne großen Lohn. Was macht für Fräulein Verrat einen guten Tag aus? Wenn jemand ihr gebrauchte Stiefel bringt, die ihr passen! Die hat doch keine Ahnung!
    Wo steckt der Winterschmied? Ist er hier? Ich muss mich, was ihn angeht, ganz auf Fräulein Verrat verlassen! Und auf ein Fantasiebild in einem Buch!
    »Winterschmied!«, rief sie.
    Man konnte den Schnee fallen hören. Er machte ein seltsames kleines Geräusch, wie ein schwaches, kaltes Zischen.
    »Winterschmied!«
    Keine Antwort.
    Was hatte sie erwartet? Eine laute, donnernde Stimme? Väterchen Frost, mit Eiszapfen im Bart? Da waren nur die weichen weißen Flocken, die friedlich zwischen dunklen Bäumen fielen.
    Tiffany kam sich ein bisschen albern vor, aber sie war auch zufrieden. Sie hatte wie eine Hexe gehandelt. Sie stellte sich den Dingen, vor denen sie sich fürchtete, und dann verloren sie ihren Schrecken! Darin war sie gut! Dann drehte sie sich um und sah den Winterschmied.
    Präg dir alles ein, meldeten sich ihre Dritten Gedanken zu Wort. Jedes Detail ist wichtig.
    Der Winterschmied war...
    ...nichts. Doch der fallende Schnee enthüllte seine Umrisse. Die Flocken glitten um ihn herum wie über eine unsichtbare Haut. Er war nichts als eine Form, abgesehen vielleicht von zwei winzigen, blassen violett-grauen Punkten

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