Der Winterschmied
deinen jungen Mann.«
»Ah... ich habe dir doch gesagt, dass er nicht in dem Sinne...«, begann Tiffany und merkte, wie sie errötete. »Aber werd kein Hawehgeh-Mädchen wie Frau Ogg«, mahnte Fräulein Verrat.
»Ich bin eine Weh«, sagte Tiffany vorsichtig. »Ohne Ha und Geh.«
Fräulein Verrat lachte. »Du hast ein Wörterbuch, nicht wahr?«, fragte sie. »Ein seltsames, aber sehr nützliches Ding für ein Mädchen.«
»Ja, Fräulein Verrat.«
»In meinem Bücherregal findest du ein viel größeres Wörterbuch. Nicht bereinigt und ungekürzt. Sehr nützlich für eine junge Frau. Du kannst es nehmen, und außerdem noch ein anderes Buch. Die anderen bleiben in der Hütte. Außerdem bekommst du meinen Besen. Alles Übrige gehört natürlich zur Hütte.«
»Vielen Dank, Fräulein Verrat. Ich hätte gern das Buch über Mythologie.«
»Ah, ja. Buchfink. Eine sehr gute Wahl. Das Buch war mir eine große Hilfe, und ich schätze, dir wird es von besonderem Nutzen sein. Der Webstuhl bleibt natürlich hier. Annagramma Falkin wird ihn gut gebrauchen können.«
Das bezweifelte Tiffany. Für praktische Dinge interessierte sich Annagramm kaum. Aber dies war vermutlich nicht der geeignete Zeitpunkt, darauf hinzuweisen.
Fräulein Verrat lehnte sich in die Kissen zurück.
»Die Leute glauben, dass du Namen in deinen Stoff gewebt hast«, sagte Tiffany.
»Tatsächlich? Nun, das stimmt. Es ist nichts Magisches daran. Eine alter Trick; jeder Weber beherrscht ihn. Man kann die Namen allerdings nicht lesen, es sei denn, man weiß, wie sie gewebt wurden.« Fräulein Verrat seufzte. »Ach, die dummen Dorfbewohner. Alles, was sie nicht verstehen, ist Magie. Sie glauben, dass ich in ihre Herzen sehen kann, aber dazu ist keine Hexe imstande. Zumindest nicht ohne eine Operation. Doch um ihre Gedanken zu lesen, braucht man gar keine Magie. Ich kenne sie von Geburt an. Ich weiß noch, als ihre Großeltern Babys waren! Sie halten sich für sehr erwachsen. Dabei sind sie nicht viel besser als kleine Kinder, die im Sand spielen und sich um Kuchen aus Lehm streiten. Ich sehe ihre Lügen, ihre Rechtfertigungen und Ängste. Eigentlich werden sie nie richtig erwachsen. Sie machen nie richtig die Augen auf. Ihr ganzes Leben lang bleiben sie Kinder.«
»Ich bin sicher, dass sie dich vermissen werden«, sagte Tiffany.
»Ha! Ich bin die böse alte Hexe, Mädchen. Sie haben mich gefürchtet und mir gehorcht! Sie fürchteten sich vor falschen Totenschädeln und albernen Geschichten. Ich habe die Furcht gewählt. Ich wusste, sie würden mich nie dafür lieben, dass ich ihnen die Wahrheit sagte, und deshalb habe ich dafür gesorgt, dass sie mich fürchteten. Sie werden erleichtert sein, wenn sie hören, dass die Hexe tot ist. Und jetzt verrate ich dir etwas ungemein Wichtiges, nämlich das Geheimnis meines langen Lebens.«
Ah, dachte Tiffany und beugte sich vor.
»Das Wichtigste ist, keinen Wind entweichen zu lassen«, sagte Fräulein Verrat. »Du solltest in dieser Hinsicht problematisches Obst und Gemüse meiden. Bohnen sind besonders schlimm, glaub mir.«
»Ich fürchte, ich verstehe nicht ganz...«, begann Tiffany.
»Kurz gesagt: Versuch, nicht zu furzen.«
Tiffany konnte kaum glauben, dass sie einen solchen Rat bekam.
»Das ist kein Witz«, betonte Fräulein Verrat. »Der menschliche Körper enthält nur eine begrenzte Menge Luft. Geh sparsam damit um. Ein Teller Bohnen kann dich ein Jahr deines Lebens kosten. Ich habe Dinge, die Blähungen verursachen, immer gemieden. Ich bin alt, und das bedeutet: Was ich sage, ist weise!« Sie bedachte die verwirrte Tiffany mit einem strengen Blick. »Verstehst du, Kind?«
In Tiffanys Kopf arbeitete es. Sie stellt mich auf die Probe! »Nein«, sagte sie. »Ich bin kein Kind, und das ist nicht weise, sondern Unsinn!«
Der strenge Blick verwandelte sich in ein Lächeln. »Ja«, sagte Fräulein Verrat. »Völliger Schwachsinn. Aber du musst zugeben, dass es ein echter Knüller ist, nicht wahr? Für einen Moment hast du es wirklich geglaubt, oder? Die Dorfbewohner haben es mir im vergangenen Jahr abgenommen. Du hättest sehen sollen, wie sie einige Wochen lang herumliefen! Ihr verkrampfter Gesichtsausdruck hat mich ziemlich erheitert! Wie steht's mit dem Winterschmied? Ist alles ruhig geworden, nicht wahr?«
Die Frage war wie ein scharfes Messer in einem Stück Kuchen und kam so plötzlich, dass Tiffany nach Luft schnappte.
»Ich bin früh aufgewacht und habe mich gefragt, wo du steckst«, sagte
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