Der Winterschmied
Knie beugen«
»Tanzen«, sagte Rob Irgendwer. »Herumhüpfen un' sich im Kreis drehen. Es is' erst dann ein richtiger Leichenschmaus, wenn alle die Hände in die Luft schmeißen und das Tanzbein schwingen, wenn der Bär steppt und die Kilts fliegen.«
Tiffany hatte die Größten nie beim Tanz gesehen, aber sie hatte davon gehört. Es hörte sich nach Krieg an, womit es vermutlich auch endete. Dass die Kilts dabei flogen, klang ein wenig besorgniserregend und erinnerte Tiffany an eine Frage, die sie bis jetzt nie zu stellen gewagt hatte.
»Sag mal... tragt ihr eigentlich etwas unter den Kilts?«
Das plötzliche Schweigen der Größten vermittelte den Eindruck, dass ihnen diese Frage ziemlich unangenehm war.
Rob Irgendwer kniff die Augen zusammen. Die Größten hielten den Atem an.
»Nicht unbedingt«, sagte er.
Schließlich ging der Leichenschmaus zu Ende, vermutlich deshalb, weil es nichts mehr zu essen und zu trinken gab. Viele der abreisenden Hexen hatten kleine Pakete dabei. Das war eine weitere Tradition. Viele Dinge in der Hütte gehörten zu ihr und gingen in den Besitz der nächsten Hexe über, aber alles andere bekamen die Freundinnen der scheidenden Hexe. Da die alte Hexe noch lebte, wenn dies geschah, kam es nicht zu irgendwelchen Streitereien. Das war das Besondere an Hexen. Oma Wetterwachs sagte immer, Hexen hätten »den gewissen Blick«, ohne zu erklären, was sie damit meinte. Sie erklärte nur selten etwas. Bestimmt meinte sie nicht, dass sie besonders verführerisch dreinschauten. Das war ja nichts Besonderes. Vielleicht meinte sie, dass Hexen über die alltäglichen Dinge hinausblickten und sich fragten: Was bedeutet dies alles? Wie funktioniert es? Was soll ich machen? Wozu bin ich da? Und vielleicht sogar: Trägt man etwas unter dem Kilt? Das mochte der Grund dafür sein, dass das Seltsame bei Hexen normal war...
... aber sie zankten wie Iltisse um einen silbernen Löffel, der nicht einmal aus Silber war. Mehrere Hexen standen bei der Spüle und warteten ungeduldig darauf, dass Tiffany ein paar große Teller abwusch, die Fräulein Verrat ihnen versprochen hatte. Eben noch hatten Bratkartoffeln und Würstchen darauf gelegen.
Zumindest musste sie sich keine Gedanken um Essensreste machen. Nanny Ogg, die die Hasenbrotsuppe erfunden hatte, wartete mit ihrem großen Einkaufsnetz und einem sehr breiten Grinsen in der Spülküche.
»Wir wollten den Rest des Schinkens und der Bratkartoffeln zu Abend essen«, sagte Tiffany streng, aber auch mit gewissem Interesse. Sie war Nanny Ogg schon einmal begegnet und mochte sie, doch Fräulein Verrat hatte sie finster eine »abscheuliche alte Schachtel« genannt. Solche Bemerkungen machten einen neugierig.
»Na schön«, sagte Nanny Ogg, als Tiffany die Hand aufs Fleisch legte. »Du hast heute gute Arbeit geleistet, Tiff. Das ist den Leuten aufgefallen.«
Sie war fort, bevor sich Tiffany von ihrer Überraschung erholen konnte. Eine der Hexen hatte sich praktisch bei ihr bedankt! Erstaunlich!
Petulia half ihr dabei, den großen Tisch hereinzutragen und fertig aufzuräumen. Sie zögerte, bevor sie ging. »Ahm... du kommst doch zurecht hier, oder?«, fragte sie. »Ich finde das alles ein bisschen... seltsam.«
»Wir sollten mit dem Seltsamen vertraut sein«, erwiderte Tiffany gestelzt. »Wie dem auch sei, du hast schon bei Toten und Sterbenden gewacht, nicht wahr?«
»Ja. Meistens bei Schweinen, seltener bei Menschen. Ahm... ich bleibe gern hier, wenn du möchtest«, fügte Petulia in einem Tonfall hinzu, der besagte: Ich möchte so schnell wie möglich von hier weg.
»Danke, nicht nötig. Was kann denn schlimmstenfalls schon passieren?«
Petulia schaute sie groß an. »Mal überlegen...«, sagte sie dann. »Äh... tausend Vampirdämonen, jeder mit riesigen...«
»Es ist alles in Ordnung«, sagte Tiffany schnell. »Mach dir keine Sorgen um mich. Gute Nacht.«
Sie schloss die Tür, lehnte sich dagegen und hielt sich die Hand vor den Mund, bis sie das Klicken des Tores hörte. Anschließend zählte sie bis zehn, um sicher zu sein, dass Petulia weit genug fort war. Erst dann wagte sie es, die Hand vom Mund zu nehmen, und der Schrei, der geduldig in ihrem Hals ausgeharrt hatte, war bis zu diesem Zeitpunkt zu einem »Unk!« geschrumpft.
Eine sehr seltsame Nacht stand ihr bevor.
Menschen starben. Traurig, aber wahr. Was kam als Nächstes? Die Leute erwarteten von ihrer Hexe, dass sie Bescheid wusste. Man wusch die Leiche und machte einige
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