Der Winterschmied
hören?«, erwiderte sie. »Und sehen?«
»Ja!«, zischte Tiffany. »Und dies ist ein Ort, an dem Essen zubereitet wird!«
»Eigentlich dürftest du mich nicht sehen können!«
»Aber ich sehe dich!«
»Moment mal«, sagte die Frau und musterte Tiffany mit gerunzelter Stirn. »Du bist nicht bloß ein Mensch, oder?« Sie kniff merkwürdig die Augen zusammen und fügte hinzu: »Oh, du bist sie. Habe ich Recht? Die neue Sommerfrau?«
»Es spielt keine Rolle, wer ich bin, aber wer bist du}«, stieß Tiffany hervor. »Und es war nur ein Tanz!«
»Ich bin Anoia, Göttin der Dinge, die in Schubladen klemmen«, sagte die Frau. »Freut mich, dich kennen zu lernen.« Sie nahm einen weiteren Zug von der flammenden Zigarette, und wieder stoben Funken. Sie fielen auf den Boden, schienen dort aber keinen Schaden anzurichten.
»Es gibt eine Göttin nur dafür?«, fragte Tiffany.
»Nun, ich finde verlorene Korkenzieher und Dinge, die unter Möbel rollen«, sagte Anoia leichthin. »Manchmal auch Gegenstände, die unter Sofakissen verschwinden. Man möchte, dass ich mich auch um klemmende Reißverschlüsse kümmere, und ich denke darüber nach. Aber meistens manifestiere ich mich dann, wenn Leute an Schubladen rütteln und die Götter anrufen.« Sie paffte an der Zigarette. »Hast du Tee?«
»Aber ich habe niemanden angerufen!«
»Doch«, widersprach Anoia, und ihre Zigarette sprühte noch mehr Funken. »Du hast geflucht. Früher oder später ist jeder Fluch ein Gebet.« Sie winkte mit der freien Hand, und in der Schublade machte etwas Pling. »Jetzt ist alles in Ordnung. Es war der Fischheber. Jeder hat einen, und niemand weiß, warum. Kann sich irgendjemand auf der Welt daran erinnern, losgegangen zu sein, um einen Fischheber zu kaufen? Ich glaube nicht.«
Tiffany zog an der Schublade. Sie ließ sich leicht öffnen.
»Und der Tee... ?«, sagte Anoia und nahm Platz.
Tiffany setzte den Kessel auf. »Du hast von mir gehört?«, fragte sie.
»Oh, ja«, bestätigte Anoia. »Es ist eine Weile her, seit sich zum letzten Mal ein Gott in eine Sterbliche verliebt hat. Alle wollen wissen, wie es ausgeht.«
»Verliebt?«
»Ja.«
»Und du meinst, die Götter sehen zu?«
»Natürlich«, sagte Anoia. »Die meisten der Großen machen heutzutage kaum etwas anderes! Aber ich soll mich um Reißverschlüsse kümmern, und bei diesem Wetter werden meine Hände steif!«
Tiffany sah zur Decke hoch, unter der dichte Rauchschwaden schwebten.
»Sie beobachten mich die ganze Zeit über?«, fragte sie entsetzt.
»Wie ich hörte, interessiert man sich für dich mehr als für
den Krieg in Klatschistan, und der war ziemlich beliebt«, sagte Anoia und streckte ihre roten Hände aus. »Sieh nur, Frostbeulen. Aber das ist den anderen natürlich völlig gleich.«
»Selbst wenn ich mich... wasche?«, fragte Tiffany.
Die Göttin kicherte süffisant. »Ja. Und sie können auch im Dunkeln sehen. Denk besser nicht darüber nach.« Tiffany sah erneut zur Decke. Sie hatte an diesem Abend eigentlich ein Bad nehmen wollen.
»Ich werd's versuchen«, erwiderte sie finster und fügte hinzu: »Ist es... schwer, eine Göttin zu sein?«
»Es gibt auch gute Tage«, sagte Anoia. Sie hielt den Arm angewinkelt, mit der flammenden, Funken stiebenden Zigarette dicht am Mund. Erneut nahm sie einen tiefen Zug, hob den Kopf und blies Rauch an die Decke.
Funken fielen wie Regen daraus herab. »Ich mache noch nicht lange in Schubladen. Früher war ich eine Vulkangöttin.«
»Tatsächlich?«, fragte Tiffany. »Das hätte ich nie vermutet.«
»Oh, ja. Es war eine gute Arbeit, abgesehen von der Schreierei.« In einem bitteren Tonfall fügte sie hinzu: »Ha! Und der Gott der Gewitter ließ es immer auf meine Lava regnen. So sind Männer, meine Liebe. Sie regnen auf deine Lava.«
»Und sehen sich Aquarelle an«, sagte Tiffany.
Anoias Augen verengten sich. »Die Aquarelle einer anderen?«
»Ja!«
»Männer! Die sind doch alle gleich«, sagte Anoia. »Wenn ich dir einen Rat geben darf, Teuerste: Zeig Herrn
Winterschmied die Tür. Immerhin ist er nur eine elementare Kraft.«
Tiffany sah zur Tür.
»Gib ihm einen Tritt, meine Liebe. Schmeiß ihn raus und wechsle die Schlösser aus. Lass es das ganze Jahr Sommer sein, wie in den heißen Ländern. Überall Weintrauben, was? Kokosnüsse an jedem Baum! Ha, als ich noch in der Vulkanbranche war, hatten es mir Mangos angetan. Sag Schnee, Nebel und Graupel adieu. Hast du das Dingsbums?«
»Das Dingsbums?«, fragte
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