Der Winterschmied
Schneemann: einen Schal, damit er es warm hat...
Sie ging nach unten in die stille Küche und schrubbte den Tisch, weil sie nichts Besseres zu tun hatte. Sie konnte besser denken, wenn ihre Hände beschäftigt waren.
Etwas hatte sich verändert - sie selbst. Sie hatte sich Sorgen darum gemacht, was der Winterschmied tun und denken würde, als wäre sie nur ein im Wind tanzendes Blatt. Sie hatte sich davor gefürchtet, seine Stimme in ihrem Kopf zu hören, wo er nichts zu suchen hatte.
Das war nun anders.
Er sollte sie fürchten.
Ja, sie hatte einen Fehler gemacht. Ja, es war ihre Schuld. Aber sie würde sich nicht einschüchtern lassen. Man durfte es nicht dulden, dass einem ein Junge die Lava verregnete und sich die Aquarelle anderer Leute anschaute. Such nach der Geschichte, sagte Oma Wetterwachs immer. Sie glaubte, dass die Welt voller Gestalten aus irgendwelchen Geschichten war. Wenn man es zuließ, hatten sie einen in der Hand. Aber wenn man sich genauer mit ihnen beschäftigte, wenn man mehr über sie herausfand, konnte man sie benutzen und verändern...
Fräulein Verrat hatte alles über Geschichten gewusst, nicht wahr? Sie hatte sie wie das Netz einer Spinne gesponnen und sich auf diese Weise Macht verliehen. Und die Geschichten erfüllten ihren Zweck, weil die Leute an sie glauben wollten. Auch Nanny Ogg erzählte eine Geschichte. Die dicke, fröhliche Nanny Ogg, die gern ein Gläschen trank (und noch eins, besten Dank) und die Lieblingsoma von allen war... Aber der Blick ihrer kleinen funkelnden Augen konnte sich einem in den Kopf bohren und dort alle Geheimnisse sehen.
Selbst Oma Weh hatte eine Geschichte. Sie hatte in der alten Schäferhütte gewohnt, hoch oben in den Hügeln, und dem Wind zugehört, wie er über das Land fegte. Sie war geheimnisvoll und allein. Und die Geschichten schwebten empor und sammelten sich über ihr, all die Geschichten darüber, wie sie verlorene Lämmer fand, obgleich sie tot war, all die Geschichten darüber, wie sie noch immer über die Menschen wachte...
Die Leute wollten, dass die Welt eine Geschichte war, denn Geschichten mussten richtig klingen und einen Sinn ergeben. Und die Leute wollten, dass die Welt einen Sinn ergab.
Tiffanys Geschichte sollte nicht die eines Mädchens sein, das sich herumschubsen ließ. So etwas ergab keinen Sinn.
Obwohl... Der Winterschmied war nicht wirklich böse. Die Götter der Mythologie wussten, wie man sich in einen Menschen verwandelt - manchmal wurden sie gar zu menschlich -, aber wie sollte ein Schneesturm so etwas jemals herausfinden können? Er war gefährlich und furchterregend, aber man musste einfach Mitleid mit ihm haben...
Jemand hämmerte an Nanny Oggs Hintertür. Tiffany öffnete und stand vor einer hochgewachsenen Gestalt in Schwarz.
»Falsches Haus«, sagte sie. »Hier ist niemand auch nur ein bisschen krank.«
Eine Hand lüftete die schwarze Kapuze, und aus ihren Tiefen zischte es: »Ich bin's, Annagramma. Ist sie zu Hause?«
»Frau Ogg schläft noch«, sagte Tiffany.
»Gut. Kann ich reinkommen?«
Am Küchentisch, bei einer Tasse warmem Tee, erzählte Annagramma alles. Das Leben im Wald lief nicht gut. »Zwei Männer sind wegen einer dummen Kuh zu mir gekommen, von der sie beide glaubten, dass sie ihnen gehört!«, sagte Annagramma.
»Das waren Joe Besentasch und der Schlaue Adams«, sagte Tiffany. »Auch über sie habe ich dir eine Notiz hinterlassen. Wenn einer von ihnen beiden betrunken ist, streiten sie um die Kuh.«
»Was soll ich mit ihnen machen?«
»Nicken und lächeln«, antwortete Tiffany. »Warte, bis die Kuh stirbt, hat Fräulein Verrat immer gesagt. Oder einer der Männer. Das ist die einzige Lösung.«
»Und eine Frau ist mit einem kranken Schwein zu mir gekommen!«
»Was hast du getan?«
»Ich habe ihr gesagt, dass ich keine Schweine behandle! Aber da ist sie in Tränen ausgebrochen, und deshalb habe ich es mit Bangels Allheilmittel probiert.«
»An einem Schwein?«, fragte Tiffany schockiert.
»Die Schweinehexe verwendet doch auch Magie, und ich sehe nicht ein, warum ich...«, begann Annagramma trotzig.
»Sie weiß, was funktioniert!«, sagte Tiffany.
»Dem Schwein ging es bestens, als ich es wieder vom Baum runtergeholt hatte! Sie hätte deshalb kein solches Theater machen müssen! Die Borsten wachsen bestimmt nach! Mit der Zeit!«
»War es ein geflecktes Schwein?«, fragte Tiffany. »Und schielte die Frau?«
»Ja! Ich denke schon. Spielt das eine Rolle?«
»Frau Stamper hängt
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