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Der Wissenschaftswahn

Der Wissenschaftswahn

Titel: Der Wissenschaftswahn Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Rupert Sheldrake
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Forschungsprogramme, etwa mit dem gewaltigen europäischen Ringbeschleuniger CERN bei Genf, noch kein Higgs-Boson nachgewiesen worden. Die Autoren populärwissenschaftlicher Bücher bezeichnen das Higgs-Boson gern als »Gott-Partikel«. Jedenfalls haben wir uns mit diesen schwer erfassbaren Teilchen und Feldern sehr weit von Newtons Vorstellung entfernt, »feste, massive, harte, undurchdringliche, bewegliche Teilchen« bildeten die Materie.

Materie taucht aus dem Nichts auf
    Die Urknalltheorie, ursprünglich Uratomtheorie genannt, wurde 1927 von dem belgischen Theologen und Astrophysiker Georg Lemaître aufgestellt. Sie wurde in den späten sechziger Jahren zur allgemein akzeptierten Lehrmeinung.
    Die Urknalltheorie besagt, dass alle Gleichungen bei der Ur-Singularität des Urknalls verletzt wurden. Wenn das Universum aus nichts hervorging, konnte von der Erhaltung der Materie und Energie keine Rede sein. Terence McKenna hat es besonders griffig formuliert: »Die Schulwissenschaft lehrt uns über die Zeit, dass dieses Universum in einem einzigen Augenblick aus absolutem Nichts ins Sein sprang … Die Naturwissenschaft scheint sagen zu wollen: ›Gib mir
ein
Wunder frei, und von da an wird die ganze Sache nahtlos nach kausalen Erklärungen ablaufen.‹« [123] Dieses eine Wunder bestand im urplötzlichen Auftauchen aller Materie und Energie einschließlich der Gesetze, denen sie gehorchen.
    Die Urknall-Schöpfungsgeschichte geht von der Erzeugung aller Materie und Energie »am Anfang« aus, wie es schon Descartes, Boyle, Newton und andere Wissenschaftler getan hatten, um die Physik irgendwie mit dem anfänglichen Schöpfungsakt Gottes kompatibel zu machen. Dazu passt, dass Papst Pius XII . diese Theorie 1951 , über fünfzehn Jahre vor ihrer allgemeinen Anerkennung in der Physik, in einer Ansprache vor der Pontifikalakademie der Wissenschaften ausdrücklich begrüßte:

    So scheint denn alles darauf hinzudeuten, dass das materielle Universum einen gewaltigen Anfang in der Zeit nahm, war es doch mit ungeheuren Energiereserven ausgestattet, vermöge deren es sich zuerst sehr rasch und dann immer langsamer zu seinem gegenwärtigen Zustand hin entwickelte … Und ist es nicht wirklich so, als würde die heutige Naturwissenschaft mit einem weiten Schritt zurück über Millionen von Jahrhunderten Zeugnis ablegen für jenes uranfängliche
Fiat lux
und den Augenblick, in dem zusammen mit der Materie ein Meer von Licht und Strahlung aus dem Nichts hervorbrach? [124]

    Die Urknalltheorie blieb zunächst umstritten, weil sich manche Astronomen eben wegen dieser theologischen Implikationen Sorgen machten. Einige lehnten sie sogar gerade deshalb ab, weil der Papst sie gutgeheißen hatte. Ein britischer Physiker mutmaßte, die Urknalltheorie sei Teil einer Verschwörung mit dem Ziel, dem Christentum Vorschub zu leisten: »Das heimliche Motiv besteht natürlich darin, Gott als Schöpfer ins Spiel zu bringen. Es sieht aus wie die Chance, auf die christliche Theologen gewartet haben, seit es die Wissenschaft von der Mitte des siebzehnten Jahrhunderts an unternahm, Gott aus dem Bewusstsein rationaler Menschen zu streichen.« [125] Der Astronom Fred Hoyle verdammte die Urknalltheorie als ein auf jüdisch-christlichen Grundlagen errichtetes Modell und schlug eine Alternative vor. [126] Aus seiner Sicht muss es einen kontinuierlichen Erzeugungsprozess geben, der beständig neue Materie und Energie im sich ausdehnenden Universum erscheinen lässt. Das Universum ist ewig und unendlich, und während die Galaxien auseinanderstreben, bilden sich in den entstehenden Zwischenräumen neue Galaxien. Das Universum dehnt sich aus und bleibt doch aufgrund der kontinuierlichen »Schöpfung« in einem stetigen Zustand oder
steady state.
Für die Erzeugung neuer Materie und Energie sorgt dabei ein hypothetisches C-Feld (C für engl.
creation
, Erzeugung oder Erschaffung), das außerdem die Expansion des Universums antreibt.
    Die Steady-State-Theorie in ihrer ursprünglichen Form musste aufgegeben werden, weil sie die Entstehung neuer Galaxien in den Freiräumen zwischen den alten forderte. Das hätte bedeutet, dass im gesamten Universum verstreut junge Galaxien zu finden sein müssten. Die Urknalltheorie sagte dagegen voraus, dass junge Galaxien sich relativ früh in der Geschichte des Universums gebildet haben müssen und daher nur in großer Entfernung zu finden sein würden, Milliarden von Lichtjahren in der Vergangenheit. Schon Anfang der sechziger

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