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Der Wissenschaftswahn

Der Wissenschaftswahn

Titel: Der Wissenschaftswahn Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Rupert Sheldrake
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spontan und unterliegen dann der natürlichen Auslese. Die überdauernden Formen und Organisationsmuster treten mit größerer Wahrscheinlichkeit erneut auf, es bildet sich eine Gewohnheit, die sich durch weitere Wiederholungen festigt.

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    4 Ist Materie ohne Bewusstsein?
    Die Kernaussage des Materialismus lautet, dass es außer Materie nichts gibt. Folglich kann es kein Bewusstsein geben. Und das ist das große Problem der Materialisten, denn Bewusstsein existiert eben doch. Sie sind in diesem Augenblick bewusst. Die wichtigste Gegentheorie, der Dualismus, sieht Bewusstsein zwar als Realität an, bietet aber keine überzeugende Erklärung für die Wechselwirkungen zwischen dem Bewusstsein und dem Körper, insbesondere dem Gehirn. Der Dualismus-Materialismus-Streit hält seit Jahrhunderten an, weshalb ich in diesem Kapitel Anregungen zur Überwindung dieses unfruchtbar gewordenen Gegensatzes geben möchte.
    Der wissenschaftliche Materialismus entstand historisch als Opposition gegen den mechanistischen Dualismus, für den, wie wir weiter unten näher betrachten werden, Materie prinzipiell unbewusst und die Seele immateriell war. Ein wichtiger Grund für diese Opposition bestand darin, dass man Gott und die Seele loswerden wollte. Für die Materialisten also war die subjektive Erfahrung irrelevant, während die Dualisten zwar die Erfahrung als Realität akzeptierten, aber die Austauschbeziehung zwischen ihnen nicht erklären konnten.
    Der materialistische Philosoph Daniel Dennett veröffentlichte 1991 ein Buch mit dem Titel
Consciousness Explained
(
Philosophie des menschlichen Bewusstseins,
1994 ), in dem er die subjektive Erfahrung als Illusion darzustellen versuchte, um so das Bewusstsein insgesamt wegzuerklären. Da er den Dualismus prinzipiell ablehnt, war er zu diesem Schluss gezwungen (Hervorhebungen im Original):

    Ich mache mir die dogmatisch klingende Regel zu eigen, dass Dualismus
um jeden Preis
zu vermeiden ist. Nicht dass ich mir einbilde, ich könne schlagend beweisen, dass Dualismus in allen seinen Formen irreführend und widersprüchlich ist; aber wenn ich mir ansehe, mit welchem Genuss der Dualismus dem Mysteriösen frönt,
scheint mir Zustimmung einem Aufgeben gleichzukommen
. [215]

    In der Tat, das
klingt
nicht nur dogmatisch, sondern ist es auch. Mit »aufgeben« und »dem Mysteriösen frönen« ist wohl gemeint, dass man Wissenschaftlichkeit und Vernunft aufgeben müsste und in religiösen Aberglauben zurückfallen würde. Materialismus »um jeden Preis« bedeutet, dass dem Geist und der persönlichen Erfahrung jegliche Realität abgesprochen werden muss – was eigentlich auch für Daniel Dennett selbst gelten müsste, aber indem er Argumente vorbringt, auf deren Überzeugungskraft er setzt, macht er wohl für sich und die Leser seines Buchs eine Ausnahme.
    Francis Crick mühte sich über Jahrzehnte um eine mechanistische Erklärung des Bewusstseins. Er gab auch freimütig zu, dass die materialistische Theorie eine »erstaunliche Hypothese« ist, die in krassem Gegensatz zum Alltagsbewusstsein steht: »Sie, Ihre Freuden und Kümmernisse, Ihre Erinnerungen und Bestrebungen, Ihr Gefühl von Identität und freiem Willen – all das ist in Wirklichkeit nicht mehr als ein riesiges Gefüge von Nervenzellen und ihrer Chemie.« [216] Vermutlich sah Crick sich selbst in diese Darstellung eingeschlossen, aber er muss wohl auch gemeint haben, dass an seiner Argumentation mehr dran war als die automatische Aktivität von Nervenzellen.
    Materialisten geht es unter anderem um die Ablehnung von allem Religiösen. Francis Crick war wie Daniel Dennett ein militanter Atheist. Dualisten dagegen ist das Überleben der Seele ein traditionelles Anliegen. Wenn die menschliche Seele immateriell ist, kann sie nach dem Tod des Körpers fortbestehen.
    Der Materialismus ist nicht immer die naturwissenschaftliche Schulmeinung gewesen. Die Begründer der mechanistischen Naturwissenschaft im siebzehnten Jahrhundert waren dualistische Christen. Materie war für sie etwas Niederes, unbelebt und gänzlich mechanisch, während der Menschengeist etwas Höheres darstellte und etwas ganz anderes war als bewusstlose Materie. Sie schufen eine unüberbrückbare Kluft zwischen den beiden, im Glauben, auf diese Weise ein stichhaltiges Argument für die Unsterblichkeit der Seele zu gewinnen und den Menschen noch deutlicher von den Tieren abzuheben.
    Der mechanistische Dualismus wird vielfach auch als kartesianischer Dualismus

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