Der Wissenschaftswahn
Zufallsprinzip ausgewählt wurde. In der Vorwoche hatte ich Dawkins Kopien meiner in Wissenschaftsjournalen veröffentlichten Arbeiten geschickt, damit er die Daten vor unserem Treffen studieren konnte. Ich schlug vor, dieses Datenmaterial jetzt einmal durchzusprechen. Das missfiel ihm offenbar, und er sagte: »Ich möchte nicht über die Daten reden.«
»Warum denn nicht?«, fragte ich.
»So viel Zeit haben wir nicht. Es ist auch zu komplex. Und gar nicht das Thema dieser Produktion.« Die Kamera wurde angehalten.
Russell Barnes sagte, er selbst sei auch nicht an einer Erörterung der Daten interessiert. Denn dieser Film solle wieder eine Polemik Dawkins’ gegen irrationale Überzeugungen werden. Ich sagte: »Wenn Sie Telepathie als irrationale Überzeugung ansehen, wäre es dann nicht zumindest wichtig, über Belege für ihre Existenz oder Nichtexistenz informiert zu sein? Wenn Telepathie vorkommt, ist es nicht irrational, an sie zu glauben. Darum, dachte ich, sollte es sich in unserem Gespräch drehen. Jedenfalls habe ich mich von Anfang an klar darüber geäußert, dass ich keine Lust habe, mich an einer weiteren trivialen Bloßstellungsübung zu beteiligen.«
Dawkins erwiderte: »Das ist keine triviale, sondern eine anspruchsvolle Bloßstellungsübung.«
Man habe mir eine ausgewogene wissenschaftliche Diskussion über das vorhandene Erhebungsmaterial zugesichert, sagte ich. Russell Barnes wollte die E-Mails sehen, die ich von seiner Assistentin erhalten hatte. Er las sie mit sichtlichem Missvergnügen und sagte dann, diese Zusicherungen seien falsch. In dem Fall, sagte ich, besuchten sie mich unter falschen Voraussetzungen. Die Filmleute packten zusammen und zogen ab. Die 2007 ausgestrahlte Serie hieß
Enemies of Reason.
Feinde der Vernunft.
Richard Dawkins verkündet schon lange: »Das Paranormale ist Quatsch. Diejenigen, die es uns verkaufen wollen, sind Schwindler und Scharlatane.«
Enemies of Reason
sollte diesen Glauben unters Volk bringen. Aber fördert er mit seinem Kreuzzug wirklich »The Public Understanding of Science«, wie sein Lehrfach an der Oxford University heißt? Ist Wissenschaft etwa als fundamentalistische Glaubensüberzeugung gemeint? War sie nicht als unvoreingenommene Erforschung des Unbekannten angetreten?
In keinem anderen wissenschaftlichen Tätigkeitsbereich nehmen sich ansonsten intelligente Menschen die Freiheit heraus, öffentlich Urteile zu fällen, die auf Vorurteilen und Unwissenheit basieren. Niemand würde Forschungen auf dem Gebiet der physikalischen Chemie verreißen, wenn er keine Ahnung von der Sache hat. Aber wenn es um Psi-Phänomene geht, fühlen sich die glaubenstreuen Materialisten berufen, die nach wissenschaftlichen Regeln erhobenen Befunde einfach zu übergehen, sich also irrational und unwissenschaftlich zu verhalten, aber andererseits zu behaupten, sie äußerten sich im Namen von Wissenschaft und Vernunft. Sie missbrauchen die Autorität der Wissenschaft und bringen den Rationalismus in Verruf.
Was könnte daraus folgen?
Es würde die Wissenschaft nur befreien, könnte man die Tabuisierung von Psi-Phänomenen endlich fallenlassen. Wissenschaftler würden sich nicht länger gezwungen sehen, solche Phänomene für unmöglich zu erklären. Das Wort »Skepsis« wäre von seinem Beiklang der dogmatischen Verneinung befreit. Die Leute würden sich trauen, offen über ihre eigenen Erfahrungen zu sprechen. In Universitäten und wissenschaftlichen Einrichtungen könnte unzensiert geforscht werden, und manche dieser Forschungen könnten praktischen Nutzen erbringen, denken wir nur an Erdbeben- und Tsunami-Frühwarnsysteme unter Einbeziehung des Tierverhaltens. Die öffentliche Förderung der Psi-Forschung und Parapsychologie könnte dem tatsächlichen allgemeinen Interesse an diesen Dingen besser Rechnung tragen und das öffentliche Interesse an den Naturwissenschaften fördern. Unsere Bildungseinrichtungen könnten diese Forschungen in offener Form vermitteln, anstatt sie wie bisher zu verschweigen oder rundweg abzulehnen. Ethnologen wären von den unausgesprochenen Verboten befreit, die ihnen bisher nicht erlauben, übersinnliche Fähigkeiten zu erforschen, die in traditionellen Gesellschaften möglicherweise besser entwickelt sind als bei uns. Vor allem würde die Erforschung dieser Phänomene sicher dazu beitragen, dass wir Geist und soziale Bindungen, Zeit und Kausalität besser und umfassender verstehen.
Fragen an Materialisten
Wenn Sie annehmen, dass
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