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Der Wolf

Der Wolf

Titel: Der Wolf Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: John Katzenbach
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Rote Zwei.
    Eine tödliche Rote Zwei, rief sie sich ins Gedächtnis. Eine mörderische Rote Zwei. Eine wilde Entschlossenheit, bei der es ihr eiskalt den Rücken herunterlief, verdrängte ganz langsam die rasende Wut.
    Doch im nächsten Moment brachen all die widersprüchlichen Emotionen wie eine meterhohe Welle über ihr zusammen, und statt sich zur Wehr zu setzen, schluchzte sie hemmungslos auf dem nackten Kellerboden und starrte auf ihre Hände, die sich nicht an ein Bild ihrer Familie klammerten, sondern an den Schaft einer . 357  Colt Magnum.

[home]
    30
    D er Böse Wolf schnappte nach Luft, dann stieß er einen Schwall von Flüchen aus. Er fuhr herum und hätte um ein Haar gegen die Küchenwand geboxt. Stattdessen zerknüllte er mit geballter Faust den Lokalteil der Tageszeitung und schloss gequält die Augen; es war, als kratze jemand mit den Fingernägeln über eine Tafel und verursache dabei ein derartiges Quietschen, dass ihm davon sämtliche Nervenenden schmerzten. Das Zeitungsknäuel in seiner Hand enthielt einen kurzen Artikel mit der Überschrift:
Mutmaßlicher Freitod ehemaliger Lehrerin.
    »Nein, verdammt noch mal, nein!«, brüllte er in einem Anfall namenloser Wut.
     
    Der Fluss glitzerte in strahlendem Licht. Der Regen hatte endlich aufgehört, und es war ein wenig wärmer geworden. Der Wind hatte sich gelegt, und die Sonne war an einem wolkenlosen, blauen Himmel aufgegangen. Auf der Brücke hatte sich eine kleine Menschentraube gebildet, die sich an die niedrige Brüstung drängte und die Aktivitäten unter sich verfolgte. Ein Nachrichtenteam, dessen Schulterkamera nutzlos am Rad seines Kastenwagens lehnte, schien gelangweilt. Wer die Brücke im Auto passierte, drosselte das Tempo, um zu gaffen, bevor er aufs Gas drückte und weiterfuhr. Drei Latinofrauen, die mit Kleinkindern in ihren Buggys unterwegs waren, standen zusammen und redeten wild durcheinander, während sie nach unten auf die glatte, dunkle Wasseroberfläche zeigten. Eine von ihnen bekreuzigte sich drei Mal rasch hintereinander.
    Der Böse Wolf gesellte sich unauffällig zu zwei Männern in seinem Alter. Er wusste, dass sie die Vorgänge aufmerksam verfolgten und ihre Meinungen bereitwillig mit ihm teilen würden. Sie rauchten und bliesen den Qualm in die windstille Luft.
    »Ich sag Ihnen, die finden nix«, vertraute einer der Männer ihm ungefragt an. Er trug einen verschlissenen grauen Mantel und einen zerbeulten alten Filzhut, den er tief in die verwitterte Stirn gezogen hatte. Gegen die grelle Morgensonne hielt er sich die Hand über die Augen.
    »Mann, mich bekämen keine zehn Pferde da rein«, sagte sein Gefährte. »Auch nicht mit einer Sicherheitsleine.«
    »Die hätten längst die ganze Strecke entlang Schwimmverbotsschilder aufstellen müssen.«
    »Klar, nur dass sie hier nicht nach einem Schwimmer suchen.«
    Beide grunzten zur Bekräftigung.
    Etwa dreißig Meter von den Stützpfeilern der Brücke entfernt waren zwei Außenborder aus Aluminium. Zwei Polizisten in schwarzen Taucheranzügen und mit Sauerstoffbehältern auf dem Rücken glitten abwechselnd ins Wasser, während andere die Seile hielten und die Boote gegen die starke Strömung manövrierten.
    Der Böse Wolf sah gebannt zu. Es war faszinierend, wenn ein Taucher verschwand und nur eine Spur Luftblasen und ein paar Wellenkräusel hinterließ, bis er nach wenigen Minuten wieder an die Oberfläche kam und gegen die tückischen Strudel ankämpfte. Er sah die Frustration und Erschöpfung in den Gesichtern der Männer, wenn sie an Bord gezogen wurden und die Boote zu einer anderen Stelle weiterfuhren. Eine Rastersuche, dachte der Böse Wolf. Standardverfahren der Polizei: Teile die Gegend in überschaubare Segmente auf und suche sie systematisch ab.
    »Haben sie schon irgendwas gefunden?«, fragte er die beiden Beobachter, die offenbar schon seit dem Morgen hier ausharrten, in beiläufig neugierigem Ton.
    »Irgendwelches unbrauchbares Zeug. ’ne Jacke in Kindergröße oder so. Zuerst waren sie darüber aus dem Häuschen, und beide Männer sind fast eine Viertelstunde unten geblieben. Aber das war’s dann auch. Deshalb versuchen sie es jetzt an anderen Stellen und fahren den Fluss ein ganzes Stück ab. Vielleicht werden sie ja doch noch fündig.«
    »Manchmal gehe ich hier an der Stelle angeln«, fügte sein Gefährte hinzu. »Aber keiner ist so blöd und kommt dem Fluss zu nahe, bevor im Sommer der Wasserstand um einiges gesunken ist. Es sei denn, er ist

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