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Der Wolf

Der Wolf

Titel: Der Wolf Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: John Katzenbach
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zweiten Block für die wurfstarke Aufbauspielerin stellte, doch auch diese Taktiken fielen in sich zusammen, wenn das andere Mädchen nicht fest entschlossen die Abwehrspielerin Jordan entgegentrieb. Alles hing von diesem Vorstoß ab.
    Jordan hasste diese Abfolgen, weil es immer ihr in die Schuhe geschoben wurde, wenn es nicht gelang, die Abwehrspielerin zu blockieren, während sie gezwungen war, sich nicht von ihrer Position zu rühren, und als Einzige auf dem Spielfeld sehen konnte, was für einen schlechten Winkel ihre Mannschaftskameradin ein ums andere Mal nahm und wie zögerlich sie dafür sorgte, dass die beiden Spielerinnen aufeinanderprallten. Das Mädchen schien Angst zu haben, jemand könnte sich weh tun – dabei führte es nur dazu, dass alle anderen Mädchen dachten, Jordan sei zu schwach und zaghaft, wobei sie in Wahrheit nichts so sehr liebte wie diesen physischen Zusammenstoß.
    Kurze Gefahrenmomente und der Nervenkitzel, sich verletzen zu können – Jordan lebte dafür.
    Sie machte einen einzigen Schritt und blieb stehen, während sie die Arme dicht an den Körper presste, so dass sie wie eine Säule auf dem Platz stand. Sie wusste, dass die Aufbauspielerin vielleicht drei Meter hinter ihr dribbelte. Ein stetiger Lärmpegel lag über dem Spielfeld; das unablässige Quietschen der Basketballschuhe auf dem polierten Holz vermischte sich mit den Rufen und Anfeuerungen der Leute auf der engen, überdachten Tribüne.
    Jordan sah, wie ihre Mannschaftskameradin an der Grundlinie täuschte, sich umwandte und heftig mit den Ellbogen ausholte – und zwar genau an der Stelle, an der die Freiwurflinie endete und an der Jordan wartete. Sie sah, wie die Abwehrspielerin aus Leibeskräften rannte, um Schritt zu halten, und im selben Moment erkannte sie, dass ihre Kameradin wie erwartet nicht den richtigen Winkel genommen hatte. Sie war dicht dran, aber nicht dicht genug. Das passierte jedes Mal, und wegen dieser kaum merklichen Bewegung, dieser Angst vor dem physischen Kontakt, war das Spiel zum Scheitern verurteilt.
    Auf einem Basketballfeld geht alles blitzschnell. Die Bewegungen sind nicht nur durch die Geschwindigkeit, sondern auch durch die Aufstellung definiert. Die Winkel der Spieler zueinander sind entscheidend. Jordan liebte den Aufbau des Spiels, bei dem jedes kleine Detail zu einer Gleichung passte, die am Ende erfolgreich war. Für den Mangel an Einsatz, den sie bei einigen ihrer Kameradinnen sah, die nur mechanisch spielten, während Jordan in der Zeit auf dem Feld alles vergaß und mit ganzer Hingabe bei der Sache war, hatte sie nur Verachtung übrig. Kaum fing das Spiel an, gab es für Jordan nichts anderes mehr. Sie stellte sich vor, dass sich für jemanden, der religiös war, die Ekstase des Gebets so anfühlte wie das, was mit ihr beim Spiel geschah.
    Sie dachte: Ich bin eine Nonne auf dem Spielfeld.
    Sie beugte sich in der Taille vor und spannte die Muskeln an.
    Aber so unschuldig dann doch nicht.
    Sie wusste, dass ihr Vorhaben den Spielregeln widersprach, doch sie rief sich ins Gedächtnis, dass ein großer Journalist einmal geschrieben hatte, Basketball sei ein Spiel der kleinen Regelübertretungen, und so beschloss sie kurzerhand, dass dies der richtige Moment war, eine zu riskieren.
    Jordan sah, dass die Abwehrspielerin schnell auf jene Lücke zwischen ihr und ihrer Mannschaftskameradin zusteuerte, die da eigentlich nicht hingehörte. Und so senkte sie genau in dem Moment, als sie alle drei aufeinandertrafen, ein wenig die Schulter und bewegte sich in der Sekunde des Aufpralls ein paar Zentimeter nach vorn. Es war eine subtile Bewegung, die Jordan an die zärtliche Geste eines hingebungsvollen Liebhabers erinnerte. Nur dass es hier gewalttätiger zuging.
    Das Mädchen der anderen Mannschaft bekam Jordans Schulter mit voller Wucht in die Brust. Jordan hörte, wie ihr die Luft wegblieb, dann ein Stöhnen und leichtes Keuchen bei ihrer unfreiwilligen Umarmung. Unterdessen schlüpfte ihre eigene Kameradin an dem Knäuel von Spielerinnen, das sich für einen Moment bildete, vorbei und nahm auf der anderen Seite ungehindert den Pass an. Ein leichter Zweier, dachte Jordan, während sie sich Richtung Korb abrollte; auch wenn sie nicht mit einem Rebound rechnete, ging sie, so wie man es ihr beigebracht hatte und wie es ihr der Instinkt diktierte, in Stellung.
    Sie erwartete jeden Moment die Trillerpfeife der Schiedsrichterin.
Foul, Nummer 
23
!
    Sie hörte die Beifallsrufe von der

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