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Der Wolf

Der Wolf

Titel: Der Wolf Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: John Katzenbach
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dramatische Konfrontation zusteuerten. Sie kannte sämtliche erforderlichen Elemente eines modernen Krimis.
    Mit geschlossenen Augen streckte sie die Hände aus, als könnte sie die Worte berühren, die in greifbarer Nähe zu Papier gebracht wurden.
    Mrs. Böser Wolf spürte nur leere Luft unter den Fingerspitzen.
    Nach einer Weile fröstelte sie ein wenig, als sei plötzlich alle Wärme aus dem Raum entwichen. Sie stieß einen Seufzer aus, packte ihr Taschenbuch sowie die Überreste ihres Mittagessens zusammen und warf einen kurzen Blick auf die Uhr. Ihre Pause war fast um, es wurde Zeit, zur Arbeit zurückzukehren. An diesem Nachmittag fand eine Fachbereichssitzung statt, an der ihr Chef, der Direktor, mit Sicherheit teilnehmen würde. Vielleicht konnte sie sich, wenn er nicht in seinem Büro war, ein bisschen Zeit nehmen und ein paar Passagen lesen.

[home]
    14
    A ls sich die kalte Nacht über den Campus senkte, schlüpfte Jordan in ihre zerrissene Jeans, die alten Joggingschuhe und den schwarzen Parka und fand außerdem eine abgewetzte marineblaue Wollmütze, die sie sich so eng wie möglich über die Haare zog. Sie wartete im Zimmer, bis sie hörte, wie sich ein paar der anderen Mädchen aus dem Wohnheim versammelten, um zu einem Vortrag zu gehen – die Schule lud ständig Schriftsteller, Künstler, Filmemacher, Geschäftsleute und Wissenschaftler ein, um zwanglos vor den Schülern aus den gehobenen Kreisen zu sprechen. Jordan wusste, dass die anderen sich in der Eingangshalle des umfunktionierten Hauses versammeln und dann in einer kichernden kleinen Schar hinübergehen würden. Teenager haben einen starken Herdentrieb, dachte sie. Auch Wölfe traten meist im Rudel auf, allerdings wohl nicht jenes Exemplar, das ihr zu schaffen machte.
    »Einsamer Wolf« traf es vermutlich eher. Bei dem Ausdruck schauderte sie.
    Jordan verließ ihr Zimmer und wartete oben an der Treppe, bis sie vier Mädchen hörte, die sich laut lachend und mit einigem Getöse durch die Eingangstür nach draußen drängten.
    Zwei Stufen auf einmal nehmend, folgte sie ihnen die Treppe hinunter und sprintete hinter ihnen hinaus, damit es so wirkte, als gehörte sie zu dieser Gruppe, ohne dass sie ihnen so nahe kam, dass sie sich nach ihr umdrehten und sie bemerkten. Wer sie beobachtete, sollte denken, dass sie ihren Freunden hinterherlief, um sie einzuholen.
    Sie hielt sich ein paar Meter hinter den anderen, doch als die nach links zu den Vortragsräumen schwenkten, duckte sie sich schnell in den ersten tiefen Schatten, den sie finden konnte, und drückte sich an die Wand eines alten roten Backsteinbaus, so dass ihr die knorrigen, verknoteten Zweige des Efeus in den Rücken stachen wie Kinder, die um Aufmerksamkeit heischten.
    Jordan wartete.
    Sie horchte auf die Geräusche ihrer Schulkameraden, die in den Abend verschwanden, und wartete darauf, dass sich ihre Augen an die Nacht gewöhnten. Im Stillen zählte sie die Sekunden ab – eins, zwei, drei. Sie wusste nicht, ob ihr jemand folgte, nahm es jedoch an, auch wenn der Verstand ihr sagte, dass auch der cleverste, besessenste Wolf nicht in der Lage war, die ganze Zeit vor ihrem Wohnheimzimmer Wache zu halten, bis sie herauskäme.
    Sie sagte sich das immer wieder und wusste nicht, ob sie sich nur Mut zusprach oder belog. Beides schien gleichermaßen möglich.
    Er lauert da. Er lauert nicht da.
    Sie fragte sich, ob sie Angst haben sollte, und merkte, dass sich allein schon von dem Gedanken die Muskeln verspannten und der Atem flacher wurde. Es war kalt, doch ihr war warm. Es war dunkel, doch sie fühlte sich wie in einem Scheinwerferkegel. Sie war jung, doch sie fühlte sich alt und verletzlich.
    Jordan drückte sich noch fester an die Mauer des Gebäudes. Sie fühlte die Präsenz des Wolfs, fast so, als stünde er neben ihr an den Efeuzweigen und sie spüre seinen warmen Atem im Nacken. Sie rechnete damit, sein Flüstern im Ohr zu hören: Hier bin ich. Sie schnappte nach Luft, und das Geräusch kam ihr so laut vor wie eine Pfeife. Sie biss die Zähne zusammen.
    Als wieder Stille herrschte – oder zumindest annähernde Stille, denn sie hörte immer noch die fernen Stimmen anderer Schüler über die Innenhöfe des Campus hallen und irgendwo aus einem Wohnheim einen Winterpills-Song, den sie wirklich mochte –, trat sie aus dem Schatten. Sie zog die Schultern gegen die Kälte ein und lief mit gesenktem Kopf zügig los; sie überquerte den Campus im Zickzackkurs, machte um sämtliche Lichter

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