Der Wolf
Betrugsdezernats rühmen, das im Wesentlichen damit beschäftigt war, die Anrufe älterer Bewohner entgegenzunehmen, die wissen wollten, ob die E-Mail, die sie mit der Bitte um einen Geldbetrag von einem nigerianischen Prinzen bekommen hatten, seriös sei. Wie jedes moderne, gut strukturierte Revier waren die einzelnen Abteilungen ausgeschildert, und hilfreiche Wegweiser an den Wänden führten ihn sicher durch das Labyrinth der Polizeiarbeit.
Der Böse Wolf brauchte nicht lange, um Detective Moyer zu finden, der hinter einem überladenen Schreibtisch saß und auf dessen Computermonitor gerade Suchmeldungen des FBI angezeigt waren. Moyer war ein großer, fülliger Mann mit einem fröhlichen Gesicht, das eher zu einem Kaufhausweihnachtsmann zu passen schien als zu einem Ermittler, der Schwerverbrechen aufklärte. Er schüttelte dem Wolf mit einer Verve die Hand, die zu seiner Statur passte.
»Freut mich, Sie kennenzulernen«, dröhnte der Detective. »Mann, das ist mal eine ungewöhnliche Bitte. Ich meine, normalerweise meldet sich jemand bei uns, weil er will, dass wir seinen Schwager beschatten, weil der angeblich mit Drogen dealt oder seine Frau betrügt oder so was in der Art. Aber Sie sind Schriftsteller, ja? Hat mir jedenfalls der PR -Mann gesagt.«
»Ja, richtig«, antwortete der Böse Wolf. Er kramte in seiner Schultertasche und zog das Taschenbuch mit dem blutigen Messer hervor. »Hier«, sagte er mit einem freundlichen Grinsen. »Der Beweis. Und ein Geschenk.«
Der Detective nahm es entgegen und starrte auf den Umschlag.
»Toll«, sagte er. »Ich lese kaum Krimis. Meistens Bücher über Sport, wissen Sie, zum Beispiel über die besten Basketballmannschaften oder berühmte Trainer oder Leute, die den Meilen-Rekord von vier Minuten brechen. Aber der Mann meiner Schwester, der ist geradezu süchtig nach so was. Dem werde ich Ihren Roman schenken …«
»Ich kann es für ihn signieren«, erbot sich der Böse Wolf und holte einen Stift hervor.
»Das wird er richtig cool finden«, erwiderte der Detective.
Der Böse Wolf setzte einen eleganten Schnörkel unter seinen Namenszug. Dann holte er das kleine digitale Aufnahmegerät heraus. »Sie haben doch nichts dagegen?«, fragte er.
»Nee«, antwortete Detective Moyer.
Der Böse Wolf dankte es ihm mit einem Lächeln. »Ich lege Wert auf saubere Recherchen«, sagte er. »Man will wirklich hinterher im Text keine Fehler haben. Die Leser merken das sofort. Die reiben Ihnen einen Fehler unter die Nase, bevor …«
Er sprach den Satz nicht zu Ende. Detective Moyer nickte.
»Also, das ist bei uns doch keinen Deut anders. Wir werden andauernd bekrittelt. Nur dass es bei uns real ist, nicht erfunden.«
»Das ist mein Luxus«, witzelte der Böse Wolf. Die Männer lächelten sich verschwörerisch an.
Der Böse Wolf zückte Notizbuch und Stift. Beides war nur Staffage, mit deren Hilfe er nach Belieben Augenkontakt vermeiden konnte. Das digitale Aufnahmegerät würde jedes Wort festhalten.
»Manchmal ist es wirklich hilfreich, sowohl Notizen als auch den genauen Wortlaut zu haben«, fügte er hinzu.
»Eine Art redundante Anlage«, kommentierte der Ermittler. »Wie beim Flugzeug.«
»Genau«, bekräftigte der Böse Wolf.
»Was möchten Sie denn gerne wissen?«, fragte der Detective.
»Ja, wissen Sie …« Der Böse Wolf fing langsam an, als suchte er nach Worten, bevor er seine Fragen stellte. »In meinem neuen Buch gibt es eine Figur, die eine Person aus der Ferne beschattet. Er möchte näher an sie heran, will aber natürlich nichts tun, was die Aufmerksamkeit der Polizei erregen könnte. Es soll sozusagen ein Duell sein, wenn Sie verstehen, was ich meine. Und er will seine Pläne umsetzen, bevor die Polizei dazwischenfunkt.«
Der Kripobeamte nickte. »Klingt spannend.«
»Genau darum geht es natürlich«, antwortete der Böse Wolf. »Dem Leser soll die Luft wegbleiben.« Mit einem Lächeln schaltete er das Aufnahmegerät ein und beugte sich über sein Notizbuch. Der Detective wippte auf seinem Bürostuhl, bevor er ihm in freundlichem Ton sehr detailliert beschrieb, wozu die Polizei in der Lage war – und wozu nicht.
In der Regel nahm sich Mrs. Böser Wolf eine ganze Stunde Mittagspause, bevor sie an ihren Schreibtisch im Büro des Direktors zurückkehrte.
Bei gutem Wetter aß sie nur schnell einen Salat oder ein Sandwich in der Schulkantine und ging dann hinaus, um unter den Bäumen zu sitzen, wo sie allein sein und die vorbeikommenden Schüler
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