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Der Wolf

Der Wolf

Titel: Der Wolf Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: John Katzenbach
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dachte Karen, als sie sich wieder ans Lenkrad setzte.
    »Ich heiße Jordan«, sagte das Mädchen leise.
    »Und ich Karen«, erwiderte die Ältere.
    Jordan nickte.
    »Wo fahren wir hin?«, fragte Karen.
    »Egal«, antwortete Jordan, während sie auf ihrem Sitz hinunterrutschte, als könnte sie sich so klein machen, dass sie unsichtbar war. »Wo auch immer Sie glauben, dass wir sicher sind.«
    Sie legte eine Pause ein und fügte leise hinzu: »Nein. Wo Sie verdammt noch mal wissen, dass wir sicher sind.«
     
    Ohne es zu wissen, folgte Karen, kaum dass sie sich in Bewegung setzten, demselben Verhaltensmuster wie Jordan beim Verlassen des Schulgeländes, wo sie mit ihrem Zickzackkurs und ihren Täuschungsmanövern dafür gesorgt hatte, einen möglichen Verfolger abzuschütteln. Sie gab Gas, bog dann plötzlich mit quietschenden Reifen in eine Nebenstraße ab, setzte in einen schmalen Durchgang zurück und fuhr am Ende in die entgegengesetzte Richtung weiter. Eine Meile außerhalb der Stadt lag ein bescheidenes Einkaufszentrum. Karen fuhr durch den Drive-in eines McDonald’s, bevor sie das Gelände wiederum in eine andere Richtung verließ. Sie steuerte den Interstate Highway an, fuhr ein paar Meilen in hohem Tempo, bog dann auf einen Rastplatz ab und blieb dort stehen, während sie unentwegt in den Rückspiegel starrte, um sich davon zu überzeugen, dass ihnen niemand folgte. Als sie schließlich ein paar Minuten lang nichts als Dunkelheit gesehen hatte, fuhr sie zügig weiter an einen Ort, der dem, was Rote Drei unter sicher verstand, entsprach.
    Während der ganzen Fahrt gab Jordan keinen Ton von sich, nicht einmal, wenn Karen wie wild die Kurven nahm und Jordan hin und her geworfen wurde. Vielleicht war Karens Fahrgast an wilde Spritztouren gewöhnt.
    »Dieser Fahrstil wird mir gerade zur Gewohnheit«, sagte Karen in bemüht forschem Ton. Sie hoffte, dass ein unbeschwerter Wortwechsel ihnen dabei helfen würde, miteinander vertraut zu werden. Doch ihre Mitfahrerin schwieg sich weiter aus, als hinge sie ihren eigenen Gedanken nach. Karen spähte immer wieder zu der jungen Frau hinüber. Rote Drei kam ihr außergewöhnlich ruhig vor.
    Der Krankenhauskomplex lag, besonders im Bereich der Notaufnahme, in hellem Scheinwerferlicht. An der Zufahrt zum Ärzteparkplatz kamen sie an ein kleines weißes Wärterhäuschen mit einem gelangweilten Wachmann. Karen nannte dem Mann ihren Namen und einen fünfstelligen Zahlencode, den er an seinem Computer überprüfte. Dann winkte er sie wortlos durch.
    Karen fand eine versteckte Parklücke im hinteren Bereich des Platzes.
    »Gehen wir rein«, sagte sie. »Hier lang.«
    Ohne ihr Schweigen zu brechen, folgte Jordan der Aufforderung.
    Die beiden Frauen liefen zügig über den Platz. Sie traten aus dem Schatten in die bleichen Lichtkegel der Leuchtstofflampen, in denen ihre Haut kränklich fahl erschien. Beide hatten sie denselben Gedanken: Selbst wenn ihnen ein Wolf gefolgt war, müssten sie ihn mit ihren Vorsichtsmaßnahmen abgeschüttelt haben.
    Keine von beiden war davon wirklich überzeugt.
    Dennoch hasteten sie dicht nebeneinander ins Krankenhaus. In dem hell erleuchteten Wartebereich vor der Notaufnahme saß eine Nachtschwester am Empfangstisch, die mit einem daseinsmüden Blick zu ihnen aufsah. In einer Ecke stand ein Wasserspender, und nicht weit entfernt erzählten sich zwei Staatspolizisten in ihren graublauen Uniformen und drei Rettungssanitäter in marinefarbenen Overalls einen Witz. Die drei Männer und zwei Frauen brachen in schallendes Gelächter aus. Jordan warf einen verstohlenen Blick auf die Leute, die auf unbequemen Formstühlen aus Plastik saßen. Ein alter Mann verschwand fast in mehreren Lagen Winterjacken und einem Mantel. Zwischen einem jungen Latinopaar saß ein Kind in einem rosa Parka, die Frau hielt ein Baby in den Armen. Zwei Jungen im Collegealter – von denen einer sowohl betrunken als auch krank aussah – hockten in einer Ecke und schienen sich selbst im Sitzen kaum aufrecht halten zu können.
    Hier lauert kein Wolf auf mich, dachte sie.
    Oder auf uns.
    Karen kramte in ihrer übergroßen Lederhandtasche, holte einen Dienstausweis heraus und hielt ihn der Nachtschwester hin, die ihrerseits auf den Einlassknopf drückte. Als sich die automatische Flügeltür öffnete, signalisierte Karen Jordan mit einer stummen Geste, ihr zu folgen. Im eigentlichen Notaufnahmebereich mit den Behandlungsräumen wartete sie, bis sich die Tür mit einem elektronischen

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