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Der Wolf

Der Wolf

Titel: Der Wolf Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: John Katzenbach
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hätte sie das Buch nicht einmal aufgeschlagen.
    Am besten hatte ihr in der Kurzgeschichte der spanische Kellner gefallen – der ältere, der bereit war, das Café für den einsamen, greisen Mann erst später zu schließen, nicht der jüngere, der möglichst schnell zu seiner Frau nach Hause wollte.
    Nada y pues nada y pues nada.
    Sie verstand genau, was der Kellner mit diesen wenigen Worten meinte, auch ohne Übersetzung.

[home]
    25
    D as war das Beste, was ich auf die Schnelle finden konnte«, sagte Rote Eins. »Denke, hier sind wir sicher.«
    Nun war
sicher
ein Begriff, der ihnen ziemlich fremd geworden war; zugleich schien die Bedrohung, wenn sie alle drei beisammen waren, sich irgendwie zu teilen und dadurch zu verringern: Angst geteilt durch drei ist …?
    Die drei Roten standen im Lichtkegel vor der Eingangstür von
The Goddess Bookshop
in einer dunklen, schmalen Nebenstraße, in einiger Entfernung von den belebteren Vierteln der kleinen Stadt. Ein stetiger Kundenstrom, fast ausschließlich Frauen – aller Altersstufen und mit unterschiedlichstem Erscheinungsbild, darunter auch einige mit einem Kleinkind an der Hand oder im Buggy –, ging in dem Laden ein und aus. Ins Auge fielen besonders die Regale mit New-Age-Romanen, Abhandlungen über Geisterbeschwörung sowie zum Thema Frauengesundheit, dazu der eine oder andere Band über Tarot oder astrologische Voraussagungen der Zukunft.
    An diesem Abend sollte eine Autorin für einen Vortrag und eine Fragestunde zu ihrem neuesten Buch anreisen, weshalb dicht bis an das kleine Podium am vorderen Ende Klappstühle aufgestellt waren. An einer Wand hing ein großes Poster der Frau, deren Alter irgendwo zwischen Roter Eins und Roter Zwei lag und die ihr langes, schwarzes Haar vampirhaft, wie Jordan fand, glatt herabhängen ließ und darunter einen Teil ihres Gesichts verbarg, um geheimnisvoll, wenn auch nicht besonders subtil auszusehen. Passend dazu hatte sich die Schriftstellerin – von den Stiefeln über die Hose bis zur Seidenbluse und dem dicken Wollumhang – ganz in Schwarz gewandet. Nur die Halskette mit einem schweren, mystischen Amulett, an dem bunte Steine funkelten, hob sich davon ab. Direkt hinter der Eingangstür lag stapelweise ihr neuestes Buch aus. Dem Poster war zu entnehmen, dass es zu einer Serie gehörte. Besagte Neuerscheinung trug auf dem Schutzumschlag unter dem Titel
Die Mörderin kehrt zurück
eine schrille Zeichnung von einer Walküre, die ihr blitzendes Schwert gegen eine Horde Muskelprotze mit gehörnten Wikingerhelmen, ihr offenbar nicht gewachsene Gegner, erhob, während Drachen den Hintergrund des Umschlagbildes bevölkerten.
    Karen führte die anderen beiden Roten zu ein paar Stühlen an der gegenüberliegenden Seite, von wo aus sie sowohl die Rednerin als auch die Besucher im Auge hatten. Sie ließen sich auf den unbequemen Stahlrohrstühlen nieder und musterten jeden, der zu der Veranstaltung hereinkam. Sie studierten die Gesichter an der Tür, jede für sich, und alle drei hatten die gleichen Gedanken: Wer bist du? Bist du ein Mörder?
    Insgesamt saßen nur vier Männer im Publikum, die sich – jeder auf seine Weise – nicht ganz wohl zu fühlen schienen. Die drei Frauen beäugten sie unauffällig, um irgendein verräterisches Zeichen an ihnen zu entdecken, das auf den Bösen Wolf schließen ließ.
    Ein kleiner, drahtiger Mann erinnerte mit seinen schnellen, verstohlenen Blicken durch den Raum irgendwie an eine Maus – doch er war mit einer Frau gekommen, die etwa doppelt so groß war wie er, und einer etwa sechsjährigen Tochter, die er ständig ermahnte, nicht auf ihrem Stuhl herumzuhampeln. Dann war da dieser bullige, bärtige Kerl, der ein bisschen den Männern auf dem Schutzumschlag des Walküren-Buchs ähnelte. Zu seiner Holzfällerstatur passte die rotkarierte Wolljacke, die er trug. Doch er war in Begleitung einer jungen Frau mit rosa gefärbten Haaren und zahlreichen Piercings gekommen, deren exzentrische Kleidung dem Outfit der Autorin nachempfunden schien, und sie hatte ihm einen Stapel Bücher in die Arme gedrückt, die offenbar zur selben Serie der Autorin gehörten und die er vermutlich für seine Begleiterin signieren lassen sollte. Sein Gesichtsausdruck hatte etwas von einem geprügelten Hund. Die anderen beiden Männer wirkten mit dicker Brille und Tweedjackett zur Cordhose eher akademisch, und beide verrieten mit ihrer verdrehten Körpersprache – den über der Brust verschränkten Armen und der

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