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Der Wolf

Der Wolf

Titel: Der Wolf Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: John Katzenbach
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Meinung, die Sache könnte vielleicht nicht damit enden, dass der Wolf bekommt, was er will?«
    Schweigen auch auf diese Frage.
    »Ich meine, hat eine von euch schon mal ernsthaft in Erwägung gezogen, dass er uns vielleicht gar nicht wirklich zu töten beabsichtigt, wie er behauptet, sondern uns nur gehörig Angst einjagen will?«
    »Hältst du uns wirklich für solche Glückspilze?«, beantwortete Jordan die Frage mit einer Gegenfrage.
    »Er hat jedenfalls seine Hausaufgaben gemacht«, sagte Sarah.
    Das Wort »Hausaufgaben« weckte bei allen dreien dieselben Assoziationen. Er hat uns beobachtet. Er hat uns ausgekundschaftet. Er kennt uns, wir ihn nicht. Wir sind hilflos, er nicht.
    »Habt ihr beide das Gefühl, dass er uns immer näher kommt?«, fragte Sarah. »Ich meine, manchmal bekomme ich kaum noch Luft, weil ich denke, er lauert im Dunkeln oder um die nächste Ecke oder in einem Wagen und beobachtet mich.«
    Karen und Jordan nickten, auch wenn Karen sagte: »Letztlich können wir nicht sagen, wen von uns er wann im Visier hat. Er spielt Katz und Maus mit uns.«
    »Glaubt ihr nicht, er schleicht sich immer näher heran?«, wiederholte Sarah mit etwas mehr Nachdruck.
    Karen holte tief Luft und sagte: »Doch, schon.«
    »Er könnte im Prinzip ewig damit weitermachen«, sagte Jordan. »Vielleicht gibt ihm genau das den Kick.«
    »Wohl kaum«, erwiderte Sarah. »Ich meine, klar, dass er dieses Spielchen genießt. Aber ich denke, er hat ›Größeres‹ mit uns vor, und das genießt er noch viel mehr.« Sie brauchte nicht zu erläutern, was sie unter »Größerem« verstand.
    Alle drei Frauen starrten unverwandt geradeaus, als stünde die Antwort auf einem der Buchrücken im Regal.
    »Ist euch auch aufgefallen, dass er alles jeweils dreifach macht?«, fuhr sie fort. »Wir bekommen alle am selben Tag einen Brief. Wir bekommen alle gleichzeitig ein Video. Eine nach der anderen kriegen wir einen Anruf …«
    »Stimmt«, bestätigte Jordan. »Aber wieso auch nicht?«
    Sarah ließ die Frage unbeantwortet. Vielmehr fuhr sie jetzt schneller in ihren Überlegungen fort, wenn auch fast im Flüsterton.
    »Er hat eindeutig ein System. Ganz offensichtlich hat er einen Plan. Wir sind die drei Teile dieses Plans.« Ihre Worte überschlugen sich fast. »Er tut alles in dreifacher Ausführung, um den dreifachen Genuss daraus zu ziehen. Als glichen wir uns wie ein Ei dem anderen. Ich hab darüber nachgedacht, ich meine, seit dem Anruf gestern Abend. Was ist als Nächstes dran? Noch eine Kontaktaufnahme, damit wir vor Angst halb tot sind? Oder fängt er jetzt mit dem Morden an? Ihr wisst, dass es jeden Moment so weit sein kann, nicht wahr? Fühlt ihr euch nicht auch wie ein gejagtes Tier?«
    Karen sagte nichts, doch der Vergleich hätte es nicht besser treffen können. Sie spähte zu Jordan hinüber. Die Jüngste von ihnen starrte geradeaus. Ins Gesicht stand ihr eine Mischung aus Zorn und Hoffnungslosigkeit geschrieben.
    Sarah nahm den Faden wieder auf. »Je mehr ich darüber nachdenke, desto mehr erinnert es mich an die Situation in der Schule. Wir lernen alle etwas über Mord, nicht wahr? Ich hab als Lehrerin viel Zeit im Klassenzimmer verbracht, und ich habe einen sechsten Sinn dafür, wenn etwas passiert, was die ganze Stunde durcheinanderbringt. Das ruiniert jeden Unterrichtsplan, den man sich zurechtgelegt hat. Alles, was du dir für diese Stunde vorgenommen hast, geht den Bach runter.«
    Ihre eindringliche Rede verstummte plötzlich, als hinge sie ihren Erinnerungen nach. Jordan vermutete, dass Sarah daran dachte, wieso sie einmal vor all diesen Schülern gestanden hatte.
    »Eine kleinere Störung, die bekommt man schnell und wirkungsvoll in den Griff. Man schickt einen aufsässigen Schüler zum Direktor. Ein bisschen Durchsetzungskraft, schon ist die Ordnung wiederhergestellt. Und der Unterricht kann weitergehen.«
    Jordan wusste genau, wovon sie sprach. Schließlich hatte sie selbst an diesem Morgen genau das getan.
    »Aber manchmal gibt es Störungen, die man nicht so leicht unter Kontrolle bringt. Wo sozusagen alles auf einmal in die Luft fliegt.«
    »Und was passiert dann?«, fragte Karen.
    »Dann ist deine ganze Planung unwiderruflich zum Teufel.«
    »Und was willst du uns damit sagen?«, fragte Jordan dazwischen.
    »Wir sitzen sozusagen in seinem Klassenzimmer. Wir müssen den Plan, den er für uns ausgeheckt hat, bei dem ein Schritt auf den anderen folgt, stören. Mehr als nur Sand ins Getriebe werfen – wir

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