Der Wolf aus den Highlands
einer Jungfrau geschlafen hatte.
Seit er mit Annora zusammen war, hatte er gelegentlich über seine seltsame Hochzeitsnacht mit Mary nachgedacht. Die Geständnisse in ihrem Tagebuch, aus denen klar hervorging, dass sie in Liebesdingen sehr erfahren war, hatten ihn nicht völlig überrascht.
»Dennoch habt Ihr die Frau umgebracht, die Euch so lange etwas bedeutete.«
»Meine Güte, wer behauptet, dass mir diese Kuh etwas bedeutete? Sie war eine Geliebte, die Spaß an den härteren Praktiken hatte. Und als ihre Eltern dann beschlossen, sie Euch zur Frau zu geben, dachte ich, dass mir das nutzen konnte. Aber Ihr habt mir nie eine Stellung angeboten und mir auch nie geholfen, eine zu finden, die meinem Verstand und meiner Listigkeit würdig war.« Der Groll in MacKays Stimme verriet James, dass diese Beleidigung ihn noch immer kränkte. »Also beschloss ich, mich auf Euren Stuhl zu setzen. Ich hatte von einem Mann gehört, der den gesamten Besitz eines anderen bekommen hatte, nachdem er bewiesen hatte, dass der eine Verwandte ermordet hatte. Er beanspruchte alles als Wiedergutmachung für den Verlust der Frau. Da ging mir auf, dass Mary mir von Nutzen sein konnte. Ich drängte sie, Euch zu heiraten, und versicherte ihr, dass sie bald Witwe sein würde.«
»Ihr habt Euch ziemlich viel Zeit gelassen, Euren Plan in die Tat umzusetzen.«
In der anderen Ecke des Verlieses, nahe der Stelle, wo die Wächter trinkend und dem Geständnis ihres Lairds lauschend saßen, bewegte sich ein Schatten.
Gerade als James sich fragte, warum die Männer nicht gingen, offenbar nicht begriffen, dass es tödlich war, MacKays düstere Geheimnisse zu kennen, bemerkte er eine weitere schwache Bewegung im Dunkeln. Sein Herz pochte vor Hoffnung, dass er nicht nur einer Täuschung des Lichtes aufgesessen war oder einem Trugbild, heraufbeschworen durch seine Schmerzen.
Er versuchte, den Blick wieder starr auf MacKay zu richten. Sollte in der anderen Ecke des Verlieses etwas passieren, wollte er MacKay nicht darauf aufmerksam machen.
»Ein guter Plan braucht Zeit zu reifen«, verkündete MacKay hochtrabend. »Ich musste mir Verbündete suchen, Männer, die dafür sorgten, dass ich die Wiedergutmachung auch wirklich bekam, wenn man Euch für den Mord an Eurer Frau, meiner Verwandten, verurteilte. Dann brachte Mary Margaret zur Welt, was natürlich noch besser für mich war. Ich hatte Zeugen, dass sie und ich ein Paar waren, und konnte mühelos behaupten, dass Margaret mein Kind war, wenn nicht nach dem Gesetz, so doch nach dem Blut. Das konnte mir helfen, und es würde Euch einen ausgezeichnetes Beweggrund liefern, Eure Gemahlin zu töten.«
»Aber sie wurde damals gar nicht umgebracht, oder? Es war nicht Marys Leichnam, den wir in dem ausgebrannten Cottage fanden.«
»Nay, das war eine Magd aus dem Nachbardorf. Wir hatten ein Verhältnis miteinander, und Mary kam dahinter. Eine Weile hat sie es geduldet, doch dann wurde sie eifersüchtig und brachte die Frau um. Da ich mittlerweile alles hatte, was ich brauchte, um Euch verurteilen zu lassen und mir Dunncraig anzueignen, beschloss ich, meinen Plan auszuführen und die Welt glauben zu lassen, die Tote sei Mary.«
Das Kinn auf der Brust, spähte James zu den Wächtern hinüber und hätte beinahe laut seiner Überraschung Ausdruck gegeben – sie waren verschwunden. Da er sich sicher war, dass niemand außer ihm und Annora die Geheimnisse von Dunncraig kannte, wusste er, dass die Wächter nicht durch einen der Gänge davongeschlichen sein konnten. Doch als er MacKay wieder dazu bringen wollte, mit seinem Geständnis fortzufahren, traf ihn die Peitsche quer über den Bauch, und er keuchte auf.
Die Überraschung machte es ihm unmöglich, die Zeichen des Schmerzes zu verbergen.
»Werdet Ihr es leid, meinen Siegen weiter zuzuhören?«, schnaubte MacKay.
»Vielleicht solltet Ihr ihm nicht so viel erzählen«, gab Egan zu bedenken.
»Warum nicht? Wem will er es erzählen? Er wird sehr bald die Würmer füttern, und Tote können keine Geschichten mehr erzählen.«
Egan schnitt eine Grimasse. »Mir ist es lieber, wenn möglichst wenige meine Geheimnisse kennen.«
»Möglichst wenige lebendige, atmende Menschen, Egan. Der Narr hier ist so gut wie tot. Er ist nur zu dumm, um mit dem Atmen aufzuhören.«
»Wo habt Ihr Mary eigentlich versteckt?«, fragte James, sobald er das Gefühl hatte, wieder mit ruhiger Stimme sprechen zu können.
»Hier und da«, erwiderte MacKay. »Ich habe sie dazu
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