Der Wolf aus den Highlands
gebracht, sich an verschiedenen Orten aufzuhalten, damit keiner sie entdeckte. Aber sie hat sich nicht an meinen Befehl gehalten. Sie kam immer wieder her, und dann fing sie an, von mir zu verlangen, dass ich sie heirate. Die dumme Frau begriff offenbar nicht, dass sie nie mehr nach Dunncraig zurückkehren konnte. Sie hatte es sich in ihren törichten Kopf gesetzt, dass sie wieder Herrin von Dunncraig sein könnte und meine Gemahlin, sobald ich Dunncraig übernommen hatte. Ich habe monatelang versucht, sie dazu zu bringen, die Gegend zu verlassen. Dann hat sie mir erklärt, dass sie mit meinem Kind schwanger sei. Ihr braucht nicht zu erfahren, warum ich mir sicher war, dass es nicht mein Kind war, aber ich wusste es genau. Sie hat immer wieder irgendwelche Liebhaber gehabt und ständig riskiert, erkannt zu werden. Wenn sie je erwischt worden wäre, hätte sie mich nie gedeckt. So habe ich sie schließlich getötet, fast ein Jahr nach Eurer Flucht, nach Eurer Bezichtigung des Mordes an ihr.«
»Wo ist sie begraben?«
»Was geht Euch das an?«
»Ich weiß nicht, ob es mich etwas angeht, aber Mary war Meggies Mutter, und deshalb verdient sie ein ordentliches Begräbnis. Es wundert mich, dass Ihr nicht selbst dafür gesorgt habt, um sie ab und zu besuchen zu können.«
»Warum hätte ich das tun sollen?«
»Wenn sie nicht eine solch törichte, blinde Frau gewesen wäre, hättet Ihr Euren dicken Hintern nie in meine Große Halle gebracht.«
»Ihr seid einfach nicht schlau genug, an den richtigen Stellen den Mund zu halten, stimmt’s?« MacKay knallte ihm die Peitsche auf die rechte Hüfte.
James ignorierte das Brennen und das Gefühl von warmem Blut, das ihm über den Oberschenkel rann. Er ließ MacKay nicht aus den Augen. »Wo ist sie begraben?«
»Was geht Euch das an?«, fragte MacKay erneut.
»Eines Tages will Meggie es vielleicht wissen, und ich würde ihr gern zeigen, wo ihre Mutter beerdigt ist.«
»Es Margaret zeigen? Seid Ihr sicher, dass Ihr noch bei Trost seid? Wie wollt Ihr dem Kind etwas zeigen, wenn Ihr tot seid? Ich sollte Euch direkt neben Mary einscharren, damit sie Euch auf dem Weg in die Hölle die Ohren volljammern kann. Ihr seid ein toter Mann, Ihr Narr. Ihr seid ein toter Mann!«
Ein flüchtiger Blick auf seinen Bruder Tormand sagte ihm, dass das Verschwinden der Wächter nur der Anfang gewesen war. Er fragte sich, ob Annora seine Leute dazu gebracht hatte, ihn aus dem Verlies zu befreien. Lächelnd blickte er MacKay an.
»Nay, ich glaube vielmehr, dass Ihr das seid.«
20
Der Angriff brach so plötzlich los, dass Annora es fast nicht mitbekommen hätte. Völlig benommen von all den Geständnissen, die aus Donnell heraussprudelten, hatte sie sich nicht von dem Fleck gerührt, an den Tormand sie gebracht hatte. Jedes Mal, wenn MacKay eine Pause einlegte – offenbar, weil er James noch ein wenig mehr demütigen wollte –, hatte sie versucht, in den Schatten Simon auszumachen. In dem Moment, als sie ihn, an die gegenüberliegende Wand des Gangs gedrückt, entdeckte – dichter bei James kauernd als sie –, drehte er kurz den Kopf und winkte ihr zu, als hätte er gespürt, dass sie nach ihm suchte. Erleichtert, dass der Mann des Königs jedes der Worte vernahm, die Donnell ausspuckte, hörte sie wieder aufmerksam zu, wie ihr Cousin sein eigenes Grab schaufelte.
Obwohl sie begierig auf die Antworten wartete, die Donnell so ahnungslos von sich gab, kostete es Annora große Mühe, wach zu bleiben. Ihr Körper verlangte nach Ruhe, um zu heilen. Annora zwang sich, aus ihrem Halbschlaf zu erwachen, als sie Edmund die Leiche eines Wächters wegschaffen sah. Sofort war sie wieder hellwach.
Sie blickte auf die Stelle, an der die Wächter gesessen hatten, und stellte fest, dass Edmund offenbar den letzten von ihnen aus dem Weg geräumt hatte.
Simon, Tormand und die anderen begannen nun, sich langsam an Donnell und Egan heranzuschleichen. MacKay war offenbar so beschäftigt, James zu zeigen, wie gründlich er ihn an der Nase herumgeführt hatte, dass er gar nicht merkte, dass sechs seiner Männer getötet worden waren und eine Gruppe Bewaffneter langsam näher rückte. Wieder einmal fragte sich Annora, wie Donnell es nur geschafft hatte, unbemerkt all diese Verbrechen zu verüben. Dann vernahm sie in der Stimme von James etwas Seltsames und kroch leise um die Ecke, um ihn besser sehen zu können.
Es fiel ihr schwer, einen empörten Aufschrei zu unterdrücken. James war halb nackt an die Wand
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