Der Wolf aus den Highlands
geduldig.«
»Aye, das will ich nicht bestreiten. Sehr geduldig – bis der Holzschnitzer Euren Arsch zu Boden strecken musste.«
Die Belustigung in Donnells Stimme war selbst durch die Wand deutlich zu hören. Annora zuckte zusammen, denn sie wusste, dass sich Egan ärgern würde. Es wurmte ihn bestimmt schon genügend, von einem Mann geschlagen worden zu sein, der seiner Meinung nach gesellschaftlich weit unter ihm stand. Wenn Donnell nun ständig Salz in diese Wunde streute, könnte es ihn in Mordlust versetzen – die sich direkt gegen Rolf richten würde. Annora musste an sich halten, um nicht gleich loszustürmen und Rolf vor der Gefahr zu warnen. Doch auch wenn es selbstsüchtig war – sie musste bleiben und versuchen, erst einmal herauszufinden, in welcher Gefahr sie selbst schwebte. Sobald sie sich darüber im Klaren war, wollte sie Master Lavengeance aufsuchen und ihm von dem Sturm erzählen, der sich über ihm zusammenbraute. Die kleine, höhnische Stimme in ihrem Kopf, die ihr sagte, dass sie den Mann nicht nur aufsuchen wollte, um ihn zu warnen, sondern auch, um noch einmal von ihm geküsst zu werden, brachte sie rasch zum Verstummen.
»Also wann bekomme ich die Erlaubnis, Annora zu heiraten?«, fragte Egan.
»Bald.«
»Das sagt Ihr immer. Aye, ich war bereit zu warten. Ich wollte, dass sie es freiwillig tut, das habe ich ja stets gesagt. Aber jetzt ist es mir allmählich gleichgültig, ich werde sie dazu zwingen.«
»Wie Ihr meint. Es wäre weitaus einfacher, wenn sie es freiwillig tun würde, aber wie Ihr ja bereits festgestellt habt, scheint sie ziemlich viel Zeit zu brauchen, um sich zwischen Euch und einem Dasein als alte Jungfer zu entscheiden. Mir ist es jedenfalls recht, wenn Ihr sie heiratet, denn dann wird sie auf Dunncraig bleiben müssen.«
»Erwartet Ihr etwa, dass Annora nach unserer Hochzeit weiter als Kindermädchen für Euch arbeitet?«
»Warum sollte sie sich nicht auch künftig um Margaret kümmern?«
»Sie wird meine Gemahlin sein, nicht irgendeine Dienstmagd. Es sieht bestimmt nicht besonders gut aus, wenn meine Ehefrau als Kindermädchen arbeitet.«
Donnell schnaubte abfällig. »Sich um das Kind des Lairds zu kümmern ist für jede Frau eine achtbare Tätigkeit, das wisst Ihr ganz genau. Wenn Ihr vorhabt, mich um ein gutes Kindermädchen zu bringen, dann sollten wir diese Heirat vielleicht noch einmal überdenken.«
»Nay, nay«, beeilte sich Egan zu erwidern. »Ihr habt recht, viele Edeldamen, ob verwitwet oder unverheiratet, kümmern sich um die Kinder ihrer Verwandten. Das geht schon in Ordnung.«
»Ich bin froh, dass Ihr so viel Einsicht zeigt.«
»Sollen wir jetzt besprechen, wann die Hochzeit stattfinden wird?«
»Bald.«
»Was soll das heißen?«
»Bald.«
»Bald ist kein Datum.«
»Ich weiß, aber ich muss noch einiges erledigen, bevor ich dir meine kleine Cousine anvertraue. Ein paar Wochen, länger nicht, aber es ist nicht ratsam, mit den Planungen zu beginnen, bevor wir uns nicht auf ein Datum geeinigt haben. Jedenfalls will ich, dass alles seine Ordnung hat. Ich möchte nicht, dass jemand behauptet, ich habe ihr Unrecht getan, solange sie in meiner Obhut war.«
Annora hatte genug gehört, mehr konnte sie nicht ertragen. Nur mit Mühe schaffte sie es, vorsichtig und leise aus dem Kämmerchen in den Korridor zu schleichen. Dann erst wagte sie, schneller zu gehen und nicht mehr so darauf zu achten, welchen Lärm sie machte. Oben angekommen, rannte sie den Gang entlang, beherrscht von nur einem Gedanken: Sie brauchte jemanden, der ihr beistand, und der Einzige, der ihr einfiel, war Rolf.
Fast blind vor Panik konnte sie sich nicht beherrschen, als sie an der mitgenommenen Tür zu seinem Turmzimmer anlangte. Ohne zu klopfen, riss sie sie auf und taumelte hinein. Kurz fragte sie sich, warum die Tür nicht verriegelt war, und blickte sich in dem kleinen Raum nach Master Lavengeance um, und beinahe verschlug es ihr den Atem.
Er war nackt, splitterfasernackt und schön. Sie musterte ihn von oben bis unten und bewunderte jeden festen Muskel, jedes sehnige Glied. Da es in einem Keep nahezu unmöglich war, sich vor fremden Blicken zu schützen, hatte Annora hier und da schon nackte Männer gesehen, doch noch nie einen, der so schön war wie Master Lavengeance. Er stand da und starrte sie überrascht an – vermutlich genauso überrascht, wie sie selbst es war. Doch sie nutzte es weidlich aus und labte sich an seiner männlichen Gestalt.
Auf seinen breiten
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