Der Wolf aus den Highlands
gesprochen hatte. Die Möglichkeit, dass Mary ihn hintergangen hatte, schien ihm mittlerweile ziemlich wahrscheinlich. Außerdem vermutete er, dass die Nacht in den Armen einer Frau, die ebenso viel Wonne spenden wie empfangen konnte, einer Frau, die kein Geheimnis aus ihrer Lust machte, ihm ein fester Schild gegen solche bitteren, schmerzhaften Wahrheiten war.
»Ist Euch denn etwas in dieser Hinsicht zu Ohren gekommen?«, fragte Big Marta.
»Nay, aber Annora versteht es ausgezeichnet, schwierige Fragen zu stellen und Dinge zu sehen, die ich nicht gesehen habe, auch wenn ich sie hätte sehen sollen. Mir wurde klar, dass Mary MacKay möglicherweise geholfen hat, ja vielleicht sogar MacKays Geliebte gewesen ist. Vor dieser Möglichkeit kann ich nicht länger die Augen verschließen. Darüber hinaus geht Annora auch davon aus, dass Mary tot ist.«
»Also ist sie wirklich damals im Feuer umgekommen.«
»Vielleicht, vielleicht auch nicht. Wie kann ich sicher sein? Die Leiche, die man gefunden hat, war ja kaum noch zu erkennen. Doch Annora bezweifelt, dass ihr Cousin Mary sehr viel länger leben lassen konnte, denn sie war eine Schwachstelle. Schon allein wenn sie eine Dorfstraße hinuntergegangen wäre, hätte sie MacKay ziemlich viel Ärger bereiten können.«
»Das stimmt. Nun ja, ich fürchte, Mary war Euch untreu gewesen. Das kleine Cottage, in dem sie angeblich gestorben ist, war ihr Treffpunkt mit MacKay – einer ihrer Treffpunkte. Die Magd, die die beiden zusammen sah, sah sie im Keep zusammen. Einmal sei Mary bei einem seiner allzu häufigen Besuche in MacKays Schlafzimmer geschlüpft. Und diese Magd behauptet auch, dass sie genug gehört hat, um zu wissen, dass es kein unschuldiges Treffen zwischen Cousin und Cousine war. Aber nein, ich werde Euch nicht verraten, wer diese Magd ist; zumindest solange MacKay hier herrscht. Es hat mich viel Überredungskraft gekostet und das Versprechen, den Mund zu halten, um sie zum Reden zu bringen.«
»Das verstehe ich, und schließlich kannst du ihr auch nicht sagen, dass sie mir vertrauen kann – noch nicht. Hat sie denn gesagt, wann genau sie die beiden zusammen gesehen hat?«
»Etwa einen Monat, bevor Mary starb oder zumindest angeblich starb.«
»Aber nicht mehr seit Marys angeblichem Tod?«
»Davon hat sie nichts erwähnt. Ich könnte natürlich noch einmal mit ihr reden, doch wenn sie Mary tatsächlich danach noch gesehen hat, hätte sie sie bestimmt für ein Gespenst gehalten. Aber das würde sie niemandem erzählen aus Angst, dass man sie für eine Hexe oder sonst etwas Albernes halten würde. Warum fragt Ihr?«
»Weil ich glaube, dass Meggie MacKay mit Mary zusammen gesehen hat. Sie hat Annora und mir erzählt, dass sie MacKay nicht für ihren Vater hält, obwohl sie einmal gesehen hat, wie er ihre Mutter geküsst hat. Ich denke, wenn es vor dem Brand passiert wäre, wäre sie viel zu jung gewesen, um so etwas mitzubekommen und sich zu merken. Aber danach? Schon einige Monate später hätte Meggie bestimmt gewusst, was sie sah, und hätte es sich auch merken und damit sich erinnern können.«
Big Marta schüttelte den Kopf. »Mir gegenüber hat das Kind nie ein Wort davon erwähnt. Wenn sie ihre Mutter nach dem Feuer tatsächlich noch einmal gesehen hätte, hätte sie doch bestimmt etwas gesagt, oder nicht?«
»Annora behauptet, meine Tochter hat sehr schnell gelernt, Geheimnisse zu wahren.« James seufzte. »Nachdem ich es für möglich hielt, dass Mary mit MacKay unter einer Decke steckte, habe ich auch eingehend über die Zeit nachgedacht, die ich mit Mary verheiratet war. In unserer Ehe lief einiges falsch, und Mary war auch Meggie keine gute Mutter. So sehr ich mich bemüht habe, ich kann mich nicht entsinnen, dass sie ihr Kind auch nur ein einziges Mal im Arm gehalten und geküsst hat. Ich hätte genauer hinsehen sollen, bevor ich sie heiratete, aber ich hatte gerade die Herrschaft über Dunncraig angetreten, mein Erbe, und wollte Frau und Kinder, eine Familie eben. Stattdessen bekam ich eine Gemahlin, die vielleicht nichts Besseres war als eine Hure, geschickt von MacKay, ihrem Geliebten. Meine Ehe war die reine Hölle, und das drei Jahre lang. Der einzige Segen, der mir daraus erwachsen ist, ist Meggie, meine hübsche, kluge Meggie.«
»Aye, das Kind ist wirklich blitzgescheit. Wenn sie in ihren jungen Jahren weiß, wann sie den Mund zu halten hat und ein Geheimnis hüten muss, dann ist sie wirklich ausgesprochen klug. Es ist zwar traurig, dass
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