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Der Wolf aus den Highlands

Der Wolf aus den Highlands

Titel: Der Wolf aus den Highlands Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Hannah Howell
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legte seine Skizze auf das schmale Bett und trat näher an die hölzerne Wand, die nachträglich eingezogen worden war, um aus einem Raum zwei Räume zu machen. Es dauerte nicht lange, bis er das Astloch entdeckte, das jedem in der Kammer gestattete mitzuhören, was im Nebenzimmer gesprochen wurde. James presste das Ohr an die Wand. Er fragte sich, ob MacKay diese Stelle absichtlich so gelassen hatte, damit er mitbekam, was nebenan gesagt wurde, wenn andere glaubten, sie seien im Arbeitszimmer unter sich.
    »Die Hochzeit wird in einem Monat stattfinden«, sagte MacKay und setzte sich auf einen Stuhl, wie James am Knarren feststellen konnte.
    »Habt Ihr es dem Mädchen schon gesagt?«, fragte Egan.
    »Nein, noch nicht, und mir wäre es lieber, wenn Ihr es ihr auch noch nicht sagen würdet.«
    »Warum nicht? Wir könnten den Monat als Verlobte verbringen. Dann hätte ich die Gelegenheit, ihr zu zeigen, dass sie einen Mann in ihrem Bett braucht. Vielleicht wäre sie dann auch etwas williger, und vielleicht würde sie bald schwanger, was ihre Ablehnung rasch beenden würde. Vermutlich ist sie nicht scharf darauf, ein uneheliches Kind zu bekommen wie ihre Mutter. Schließlich weiß sie, wie sehr ein Mädchen darunter leiden kann.«
    »Egan, entweder wir machen es so, wie ich es will, oder gar nicht. Annora ist nicht so fügsam, wie Ihr glaubt. Wenn Ihr Ärger vermeiden wollt, muss die Sache sehr behutsam angegangen werden. Gebt Euch damit zufrieden, dass Ihr sie in einem Monat heiraten werdet. Und wenn’s dich juckt, dann nehmt Euch eben eine der Mägde. Ihr werdet nichts gewinnen, wenn Ihr Euch Annora aufdrängt, bevor Ihr verheiratet seid. Sie würde sich bestimmt nicht stillschweigend in ihr Schicksal fügen, nur weil Ihr ihr die Jungfernschaft geraubt habt.«
    »Das habe ich getan«, hätte James am liebsten laut verkündet in einer verrückten Zurschaustellung männlichen Stolzes und Besitzanspruchs. Er war wütend, und gleichzeitig hatte er Angst um Annora. Es dauerte eine Weile, bis er sich wieder beruhigt hatte und den Impuls unterdrücken konnte, ins Arbeitszimmer zu stürmen und diesen beiden Männern, die sich so kalt über Annora unterhielten, zu erklären, dass sie nicht mehr zu haben war. Sie gehörte ihm. Zu gern hätte er das den beiden mit seinen Fäusten klargemacht.
    Stattdessen ergriff er Holz und Skizze und schlüpfte leise aus der Kammer. Er wollte Annora finden und sie warnen. Allerdings würde er es nicht bei einer Warnung belassen können. Solange er als Holzschnitzer und Tischler unter MacKays Herrschaft arbeitete, als jemand, dem dieser Mann sicher nichts von seinen Plänen erzählen würde, konnte er Annora nicht richtig beschützen. Er musste sie wegbringen, weit weg, an einen Ort, wo Egan sie nicht finden würde. Mit diesem Vorsatz schaffte er seine Sachen in seine Werkstatt und machte sich dann auf die Suche nach Annora.
    Als er sich nach erfolgloser Suche ihrem Schlafzimmer näherte, spürte er eine leichte Panik in sich aufsteigen. Nun da Egan wusste, dass MacKay ihm Annora geben wollte, zweifelte James an, dass der Kerl MacKays Rat, Annora nicht mit Gewalt zu erobern, befolgte. Am liebsten hätte James immer ein Auge auf sie gehabt, denn er war sich sicher, dass Egan die nächstbeste Gelegenheit beim Schopf ergreifen würde, sie in sein Bett zu schleppen.
    Aus Annoras Schlafzimmer drang ein leises Summen. James erkannte ihre Stimme. Er warf einen letzten wachsamen Blick in den Gang, dann klopfte er leise an die Tür. Zu seiner Erleichterung hatte sie seiner Bitte Folge geleistet und die Tür tatsächlich verriegelt, denn nun entriegelte sie sie hörbar, und er spürte, wie seine Angst um seine Gefährtin ein wenig nachließ.
    »Bist du allein?«, fragte er, sobald die Tür einen Spalt offen stand.
    »Aye«, erwiderte sie. »Aber …«
    Er schnitt ihr das Wort ab und drängte an ihr vorbei ins Zimmer. Dann verriegelte er die Tür wieder sorgsam hinter sich. »Du musst Dunncraig sofort verlassen«, sagte er und sah sich nach etwas um, in das sie ihre Sachen packen konnte.
    »Du willst, dass ich weggehe?«, fragte sie bekümmert. Sollte ihre Beziehung tatsächlich schon so rasch und abrupt zu Ende sein?
    »Ich will es nicht, aber du musst, und zwar schnell.«
    »Warum?«
    James trat zu ihr und nahm sie in die Arme. Er würde sie schrecklich vermissen, und nicht nur, weil sein Bett kalt und leer sein würde. Annora war ein Teil seines Lebens geworden, seiner Hoffnung auf eine Zukunft auf

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