Der Wolf aus den Highlands
Gefahr zu drohen schien, als sich die kleine Lichtung mit Männern füllte. Donnell und über ein Dutzend Reiter brachen von zwei Seiten aus dem Wald hervor und zügelten scharf ihre Pferde, als sie Annora und Meggie erblickten. Kurz darauf brach James aus den Bäumen hervor und blieb abrupt stehen, als sein Blick auf Donnell und dessen Bewaffnete fiel.
Einen Moment lang betrachtete Annora die stumme Auseinandersetzung. Das Herz pochte ihr bis zum Hals aus Angst um James. Sie wollte ihm zurufen, dass er weglaufen solle, aber gerade, als sie dazu ansetzen wollte, bedeutete er ihr mit einem harten, finsteren Blick zu schweigen. Sie begann, ganz langsam vor den Männern zurückzuweichen, die James anfunkelten und die er ebenso wütend und hasserfüllt anfunkelte. Die angespannte Stille konnte jeden Moment zerreißen. Meggie sollte von diesem Kampf möglichst wenig mitbekommen, auch wenn er bestimmt nicht lange dauern würde – James stand allein gegen ein gutes Dutzend Bewaffnete. Annora war klar, dass sie keine Möglichkeit mehr hatte, Donnell zu entkommen. Sie konnte jetzt nur noch beten, dass nicht auch James verloren war.
17
Ihr seid wohl hergekommen, um zu sterben, MacKay?«, fragte James ungerührt und zog sein Schwert.
Annora blinzelte. Hatte der Mann den Verstand verloren? Doch dann stellte sie sich vor, wie er sich fühlen musste: Er war gezwungen worden, seine Suche nach der Wahrheit aufzugeben und aus Dunncraig zu fliehen. Hier und jetzt von Donnell entdeckt zu werden bedeutete zweifellos, dass er keine Möglichkeit mehr haben würde, seinen Namen reinzuwaschen. Er würde sterben, und alle Welt würde weiterhin glauben, dass er seine Frau getötet hatte.
Doch dann wies Annora den Gedanken, dass James sterben würde, hastig von sich, weil sie wusste, dass sie niemals die Stärke besitzen würde, die sie bräuchte, wenn sie über das Schicksal nachdachte, das ihn erwartete, wenn er in Donnells Gewalt geriet.
»Ihr seid ein Narr, Drummond«, bellte Donnell. »Habt Ihr Euch eingebildet, Ihr könntet mich schlagen, wenn Ihr meine Cousine verführt?«
»Ich habe sie nicht verführt, ich habe sie mitgenommen, damit sie sich um das Kind kümmert. Und das Kind habe ich mitgenommen, um Euch zu mir zu führen.« Er schaute die Männer um Donnell an. »Ich hätte mir denken können, dass Ihr zu feige seid, allein zu kommen. Seid Ihr nicht Manns genug, Euch mit mir zu messen? Ihr kämpft wohl lieber gegen wehrlose, angekettete Männer.«
»Wird etwas Schlimmes passieren, Annora?«, wisperte Meggie und drückte sich an Annoras Bein.
»Ich fürchte schon, mein Schätzchen«, flüsterte Annora und setzte langsam ihren Weg zum Rand der Lichtung fort.
»Ich will nach Hause.«
»Nicht reden, Liebes, wir sollten lieber keine Aufmerksamkeit auf uns lenken.«
Doch offenbar meinte es das Schicksal mit Annora momentan nicht besonders gut, denn plötzlich wurde sie von hinten gepackt. Auch ohne sich umzudrehen, wusste sie, dass es Egan war, der sie umklammerte; denn sie erkannte ihn an seinem unangenehmen Geruch. Meggie kreischte und trat nach ihm, doch Egan schlug sie so heftig, dass sie nach hinten flog und dann auf dem Boden aufschlug. In dem verzweifelten Versuch, zu Meggie zu kommen und zu sehen, dass sie nicht ernsthaft verletzt war, begann sich Annora zu winden, leise zu fluchen und nach Egan zu treten.
James starrte auf sein Kind, das ausgestreckt auf dem Waldboden lag. Auf seinen wutverzerrten Zügen zeichnete sich ein Anflug der Erleichterung ab, als Meggie sich langsam aufrappelte. Tränen liefen ihr über das schmutzige Gesicht. Er sah Annora kurz an, die versuchte, sich von Egan loszureißen, um zu Meggie zu eilen, dann sah er wieder Donnell MacKay an.
Warum war alles so schiefgelaufen, fragte er sich. Er fühlte sich innerlich erstaunlich taub bis auf den brennenden Wunsch, MacKay zu töten. Das Schicksal hatte ihm sehr schlechte Karten ausgeteilt. Wie bitter diese Niederlage schmeckte! Sein einziger Hoffnungsschimmer war, dass Tormand und Simon bald wissen würden, was ihm passiert war. Sie würden alles tun, um Annora und Meggie aus den Händen dieses Dreckskerls zu befreien. James wollte im Moment nur daran denken, dass die beiden gerettet werden würden. Alle Gedanken daran, was er verloren hatte, würden ihn wohl in den Wahnsinn treiben.
»Ich glaube, es ist an der Zeit, dass Ihr kapituliert, Wolf«, knurrte MacKay.
»Warum sollte ich? Damit Ihr mich langsam töten könnt wie meine Männer?« James
Weitere Kostenlose Bücher