Der Wolf
Pimlott innehatte. Zusammen
mit dem WWF war die IUCN Trägerin des jetzt beginnenden Wolfsprojekts in den Abruzzen. – Nach langen Diskussionen mit Luigi Boitani sowie Doug Pimlott, der uns
in Italien besuchen kam, und den anderen Mitgliedern der
IUCN-Wolfsgruppe arbeitete ich einen detaillierten Plan
aus. Unser Projekt sollte in drei Teile gegliedert werden :
1. Erforschung der Ökologie des Wolfes in den Abruzzen, mit Schwerpunkt auf Populationsentwicklung, Wanderungsaktivitäten, Größe der »Home ranges« (Wohngebiete), Nahrung, Interaktion mit Menschen und Haustieren, Verhältnis zum Fuchs.
2. Wiedereinbürgerung von Reh und Hirsch. Anhand
von ersten Versuchen im Parco Nazionale d’Abruzzo sollten die Möglichkeiten einer großflächigen Wiedereinbürgerung von Huftieren in Italien erarbeitet werden.
3. »Ökopolitischer« Teil. Hier ging es zunächst darum, die
Einstellung der lokalen, direkt vom Wolf betroffenen Bevölkerung zu diesem zu erkunden sowie festzustellen, unter
welchen Bedingungen diese Leute den Wolf als Nachbarn
zu akzeptieren bereit seien. Sodann sollte die italienische
Öffentlichkeit über den Wolf informiert und so eine gute
Ausgangsposition für gesetzgeberische Initiativen auf lokaler und nationaler Ebene erreicht werden. Die wichtigsten
Zielsetzungen dieser Initiativen waren uns von vornherein klar: Der Wolf mußte ganzjährig unter vollen Schutz
gestellt werden, und – was vielleicht noch wichtiger war –
die Verwendung von Gift, etwa bei der Fuchsbekämpfung,
mußte verboten werden, am besten in ganz Italien, zumindest aber in den von Wölfen besiedelten Gebieten.
Jahr für Jahr wurden in den Wintermonaten durch die
lokalen Jagdverbände mit Hilfe der staatlichen Forstpolizei riesige Mengen Giftköder für Füchse ausgelegt. In den
wenigen Tagen unserer Feldarbeit waren uns schon die vielen Fuchsspuren aufgefallen. Die Fuchspopulation mußte
in der Tat hoch sein, zum Teil vermutlich bedingt durch
die vielen häuslichen Abfälle um jedes Dorf. Die Jäger versuchten nun, dem Fuchs mit Hilfe von Strychnin beizukommen, was für die Fuchspopulation vermutlich von geringerer Bedeutung war, für empfindlichere Arten aber, wie
Greifvögel, Bären und besonders für Wölfe, verheerende
Wirkung hatte. Genauere Zahlen dazu hatten wir keine,
aber die Berichte von Franco Tassi waren beängstigend.
In der Tat sollte sich im Laufe unserer Arbeit das Gift als
die hauptsächliche Todesursache der Wölfe in den Abruzzen herausstellen.
Von der Fragestellung her war unser Projekt ein Zwitter ; es sollte sowohl wissenschaftliche Fragen beantworten wie dem praktischen Naturschutz dienen. Wir nannten
unsere Arbeit »Naturschutzforschung«. Das brachte natürlich gewisse Schwierigkeiten mit sich, denn als Wissenschaftler wollten wir möglichst wenig Einfluß nehmen auf das
zu untersuchende System, als Naturschützer dagegen wollten wir es verbessern. Als wir zum Beispiel bemerkten, daß
die Wölfe zeitweilig zuwenig zu fressen hatten, forderte
die wissenschaftliche Fragestellung, daß wir unter anderem beobachteten, wie die Wölfe sich verhielten und welchen Einfluß der Nahrungsmangel auf die Sterberate hatte.
Als Naturschützer wollten wir sie andererseits durch Auslegen von Futter unterstützen. Trotzdem haben wir, glaube
ich, was die erste Fragestellung betraf, brauchbare Ergebnisse bekommen, hinsichtlich der wissenschaftlichen wie
der naturschützerischen Aspekte.
Die Fangaktion
Bei meinem Besuch in Minnesota 1973 hatte ich Dave Mech
dazu überreden können, nach Italien zu kommen, um uns
seine Fang-, Narkotisierungs- und Telemetrietechniken an
Wölfen zu demonstrieren. Aufgrund der sehr großen Scheu
der Wölfe und ihrer versteckten Lebensweise gab es keine
andere Möglichkeit, die Wölfe zu studieren, als mit Hilfe
der Telemetrie. Für Luigi Boitani und mich, beide ohne
Erfahrung in dieser Methode, war es daher von großem
Vorteil, Dave zu gewinnen. Er hatte sich fünf Jahre mit der
Technik herumgeschlagen und war nun endlich soweit, daß
sie einigermaßen funktionierte. Wir übernahmen damit
ein fertiges System und konnten die sonst üblichen Anlaufzeiten bei Telemetriestudien stark reduzieren.
Anfang April 1974 waren wir alle in Pescasséroli, dem
Hauptquartier des Parco Nazionale d’Abruzzo, versammelt:
Luigi, Dave, Hartmut Jungius vom WWF, der die Wiedereinbürgerungsaktion vorbereiten sollte, und ich. Zu uns stießen im Laufe des Monats weitere Leute, die für kurze
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